Ministerpräsident spielt auf Zeit

Seehofers fauler Zauber

von Redaktion

Horst Seehofer bleibt der große Zampano der Christlich-Sozialen Union. Wer es, so wie der Ingolstädter gestern vor der Fraktion, ohne rot zu werden schafft, die Worte „einvernehmlich“, „Harmonie“, „Kameradschaft“ und „CSU“ im selben Satz unterzubringen, auf dessen Dienste kann im Freistaat und darüber hinaus auch künftig nicht verzichtet werden.

Okay, schon gut: Nach Scherzen ist der vom Wähler übel zugerichteten CSU derzeit nicht zumute. Ob der gestrige Tag wirklich die „befriedende“ Wirkung entfaltet, von der Seehofer sprach, darf heftig bezweifelt werden. In der Partei wächst die Ungeduld, und in manchen Teilen auch die Wut: Wieder hat es der 68-Jährige geschafft, seinen überfälligen Rückzug von der Macht aufzuschieben. Mit großem Trommelwirbel war im CSU-Zirkus die Bekanntgabe seines Fahrplans zur Ämterübergabe angekündigt worden. Am Abend werde endlich „alles klar“ sein. Doch als der Magier aus Ingolstadt gestern seinen schwarzen Zylinder lüftete, war darunter – nichts. Nur ein – überwiegend mit Kritikern des Kronprinzen Söder besetzter – „Gesprächskreis“, der jetzt offenbar die Vorschläge erarbeiten soll, die Seehofer versprochen, aber nicht geliefert hat.

Der CSU-Regent auf Abruf spielt weiter auf Zeit. Vieles spricht dafür, dass Seehofer sich noch ein paar Jahre an der Macht erkaufen will – indem er den Parteivorsitz behält und nach Berlin ausweicht, wo ihm, das stimmt, kein Parteifreund auch nur annähernd das Wasser reichen kann. Die undankbare Aufgabe, die Mehrheit in Bayern zu verteidigen, fällt dann einem anderen zu. Auch viele Kritiker von Markus Söder haben sich längst damit arrangiert, dass an dem kantigen Franken kein Weg vorbeiführen wird. Nur Seehofer nicht. Er schickt seinen Rivalen in die nächste Warteschleife – und verhindert damit, dass Söder als neuer amtierender Ministerpräsident punkten kann. Stärker macht Seehofer die CSU mit seinem faulen Zauber und den nicht enden wollenden Sperenzchen aber nicht.

Georg Anastasiadis

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