Es hat etwas gedauert, bis sich das Problem ins allgemeine europäische Bewusstsein vorgearbeitet hat: Anfangs schien der Brexit vor allem eine Frage von Milliardenkosten und komplexer Rechtsfragen. Im Streit um die inner-irische Grenze zeigt sich aber, wie viel Stabilität, Freiheit und Sicherheit der Kontinent der oft belächelten und manchmal auch verfluchten Europäischen Union verdankt. Das ging auch hierzulande in der Diskussion über unsichere Außengrenzen und Kontrollen innerhalb der Schengen-Zone meist völlig unter.
Die Befriedung des irischen Konflikts ist eines der jüngsten Beispiele für eine Entwicklung, die ganz Europa in gut 60 Jahren durchgemacht hat. Junge Menschen, die heute von München nach Prag fahren, können sich den Eisernen Vorhang kaum vorstellen. Ganz zu schweigen von kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Deutschen und Franzosen, wie sie die erste Hälfte des letzten Jahrhunderts prägten. All das gehört auch dank des europäischen Einigungsprozesses der Vergangenheit an.
Das klingt so banal, dass man es kaum niederschreiben möchte. Aber offensichtlich ist es nötig. Denn nicht nur Briten, sondern auch etliche unserer osteuropäischer Nachbarn sehen die EU als rein wirtschaftliche Institution an. Man kann nur hoffen, dass ihnen in Nordirland keine späte Lehrstunde erteilt wird. Die Spannungen in der dortigen Gesellschaft sollte niemand unterschätzen.
Mike Schier
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