Berlin – Bei allen Reibereien mit der CSU war für Angela Merkel zumindest eines gewiss: Am Ende zählt Horst Seehofer. Dabei hat der Parteichef aus Bayern der Kanzlerin das gemeinsame Regieren nicht nur einmal schwer gemacht – Schwesterpartei hin oder her. Nach der Entscheidung im CSU-Machtkampf wird es für die CDU-Vorsitzende kaum einfacher, wenn Seehofer im Frühjahr einen Teil der Macht an Markus Söder weiterreicht.
Künftig muss sich Merkel mit einem tiefschwarzen CSU-Dreigestirn arrangieren – bei den auch so schon komplizierten Gesprächen über eine Regierungsbildung mit der SPD. Spielen Seehofer, der ja Parteichef bleiben will, und Söder mit verteilten Rollen? Setzt Söder wegen der Landtagswahl im Herbst 2018 auf mehr Profil durch ein scharfes Abgrenzen von Berlin? Und was macht CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt, der ebenfalls eigene Interessen hat? Vieles ist unberechenbar.
In der CDU hoffen sie, dass bei den CSU-Granden der Druck zur Geschlossenheit überwiegt. Weder Seehofer noch Söder könnten ein Interesse an öffentlich zelebriertem Dauerstreit haben – das schrecke Unionswähler erfahrungsgemäß nur ab.
Kommt es nächste Woche zu einem ersten Treffen der Spitzen von SPD, CDU und CSU, wäre Söder noch nicht dabei, auch falls die Fraktionschefs mitgehen. Doch Seehofer hat angekündigt: Bei Sondierungen wäre Söder, der bei Jamaika nicht zur CSU-Delegation gehörte, an Bord („er ist jetzt legitimiert“). Das ist taktisch folgerichtig, denn der Chef kann kein Interesse an Dauerstörfeuer Söders haben. Auch nicht daran, dass der Franke später einen Koalitionsvertrag infrage stellt, den er nicht mitverhandelt hat.
Am Ende dürfte auch Söder an einer zügigen Neuauflage der Großen Koalition gelegen sein. Denn sobald eine Regierung steht, will Seehofer abtreten – und vielleicht an Merkels Kabinettstisch wechseln. Schon wird spekuliert, welcher Posten der richtige für den CSU-Chef sein könnte: Das Innenministerium, wo er als personifizierte Garantie für die Zuwanderungsbegrenzung wirken könnte? Oder Arbeit und Soziales – dort hätte Seehofer Zugriff auf den größten Einzeletat, er könnte die von der CSU gewünschten Verbesserungen für Familien und Kinder gestalten. Das Haus kennt er schon: Von 1989 bis 1992 war er Staatssekretär. Auch das Gesundheitsressort könnte passen, Seehofer führte das Ministerium von 1992 bis 1998. Nun könnte er die von der SPD verlangte Bürgerversicherung auf Unionslinie trimmen. Immerhin hatte Seehofer 2003 im Streit über die Privatisierung von Gesundheitsleistungen selbst für ein Modell plädiert, bei der alle unabhängig vom Einkommen in die gesetzliche Krankenversicherung einzahlen sollten.
Und Söder? Bisher hatte er als Landespolitiker nicht viel mit Merkel zu tun, nur am Rande als Generalsekretär 2003 bis 2007. „Ich habe Respekt vor ihrer Lebensleistung und wie sie Deutschland in der Welt respektiert“, sagt Söder höflich. Spannender wird, wie die langjährigen Intimfeinde Seehofer und Söder bei ihrer Ämterteilung in der Praxis harmonieren. Das jüngste Beispiel für eine Doppelspitze zwischen Bund und Bayern ist lange her. Nach dem Tod von CSU-Übervater Strauß 1988 wurde Theo Waigel Parteichef und auch Bundesfinanzminister, während in Bayern Max Streibl und Edmund Stoiber als Ministerpräsidenten regierten.
Und dann ist da noch Dobrindt. Er lässt keine Zweifel, dass er die CSU-Speerspitze in Berlin wieder scharfkantiger positionieren will – als eigenständige Kraft. Zwar ist die CSU-Landesgruppe nach der 38,8-Prozent-Schlappe bei der Bundestagswahl in Bayern auf 46 Leute geschrumpft. Doch selbst bei einer GroKo käme es diesmal rechnerisch auf die CSU an. In den Jamaika-Sondierungen fiel das selbstbewusste Agieren Dobrindts auf. Einen Eindruck, wie die neue CSU-Konstellation funktioniert, kann die Kanzlerin sich am 15. Dezember in Nürnberg verschaffen. Dann kommt sie wieder zu einem Parteitag, ein Grußwort am Abend. Sascha Meyer/Jörg Blank