Die Grünen denken an Özdemir – als Ministerpräsidenten

von Redaktion

Baden-Württembergs Regierungschef Kretschmann, bald 70, sendet bisher widersprüchliche Signale: „Aus dem Jungekerle wird etwas“

Heidenheim – Schließlich gehen sie beim Landesparteitag in Heidenheim doch noch gemeinsam auf die Bühne: Grünen-Bundeschef Cem Özdemir und Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann lassen sich zusammen von den Delegierten feiern. Das Thema steht offiziell nicht auf der Tagesordnung des Delegiertentreffens, doch der Gedanke drängt sich einigen Beobachtern nahezu auf: Steht da der noch amtierende Regierungschef mit seinem Nachfolger?

Seit 2011 regiert Kretschmann im Ländle, im Mai 2018 wird der grüne Oberrealo 70 Jahre alt. Immer wieder wird darüber spekuliert, wie lange Kretschmann das Amt noch ausfüllen will. Er selbst gibt keine eindeutigen Zeichen. Mal schwärmt er von der Fitness des mittlerweile 79 Jahre alten kalifornischen Gouverneurs Jerry Brown. Dann wiederum lässt er seinem Frust freien Lauf – etwa über seine Bundespartei, die politisch nicht ganz so ticken will wie er selbst.

Die Zahl der möglichen Nachfolger ist überschaubar. Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer ist mit seinen ganz eigenen politischen Anschauungen bei den Grünen nicht wohlgelitten. Und Wissenschaftsministerin Theresia Bauer hat an Renommee eingebüßt, seitdem sie Studiengebühren für Nicht-EU-Studenten einführte.

Özdemir hingegen hat sich nach Meinung vieler Grüner als Spitzenkandidat im Bundestagswahlkampf gut geschlagen. Bereits vor längerer Zeit kündigte er an, im Januar nicht wieder für das Amt des Bundesvorsitzenden antreten zu wollen. Da war nicht ausgeschlossen, dass der 51-Jährige ein Ministeramt im Bund bekommt. Doch nun sieht es danach aus, dass die Grünen in der Opposition bleiben. Für Özdemir gäbe es theoretisch noch den Vorsitz der Bundestagsfraktion. Doch Amtsinhaberin Katrin Göring-Eckardt dürfte wieder antreten – da bliebe neben ihr nur Platz für einen Mann vom linken Parteiflügel.

Manche Beobachter empfinden Özdemirs Rede beim Parteitag in Heidenheim als Bewerbung – aber wofür? „Das Feuer brennt immer noch. Ich will die Ärmel weiter hochkrempeln“, ruft er. Er betont seine Herkunft aus dem baden-württembergischen Bad Urach. Kretschmann wiederum lobt Özdemir über den grünen Klee. Er erinnert daran, wie er Özdemir vor vielen Jahren als „Jungekerle“ kennengelernt hat. „Damals hat man schon gemerkt: Aus dem könnte etwas werden.“ Özdemir sei ein großes politisches Talent. „Er ist nicht nur erfahren. Er hat auch gezeigt, dass er Führungsqualitäten hat, dass er Übersichten hat.“ Doch Kretschmann lenkt den Fokus dann um: „Dass Du weiter eine führende Rolle spielst im Bund, das wollen wir.“

„Focus“ spekuliert, dass Özdemir ein Ministeramt in Baden-Württemberg übernehmen könnte, um Regierungserfahrung zu sammeln, bis er Kretschmann beerben könnte. Doch das gilt als eher unwahrscheinlich: Es würde wohl kein grüner Landesminister vorzeitig sein Amt abgeben. Nicht ausgeschlossen scheint weiter die rheinland-pfälzische Variante: Der damalige Regierungschef Kurt Beck (SPD) kündigte im Herbst 2012 – etwa eineinhalb Jahre nach seiner Wiederwahl – seinen Rücktritt an und ebnete Malu Dreyer (SPD) den Weg.

Doch so ein Schritt gilt als heikel, weil Kretschmann als ein Garant für den Zusammenhalt der grün-schwarzen Koalition gilt. Ohne Kretschmann könnte die CDU eine Chance für eine vorgezogene Neuwahl wittern. Bettina grachtrup

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