-Frau Knobloch, was geht Ihnen durch den Kopf, wenn bei Demonstrationen in Berlin Israel-Flaggen brennen?
Es ist einfach nicht zu glauben, dass das alles möglich ist. Dieser Hass auf deutschen Straßen. Ich kannte das aus Zeiten, in denen ich ein Kind war. Ich hätte niemals gedacht, dass ich so etwas noch einmal hören muss. Ein wütender Mob skandiert antisemitische Schlachtrufe, zeigt antisemitische Transparente, verbrennt Davidsterne und ruft zum Dschihad auf. Dabei werden Flaggen der Terror-Organisation Hamas gezeigt. Ich habe übrigens keinen Zweifel daran, dass die Proteste von genau dieser Gruppe mitorganisiert und unterstützt werden.
-Sie klingen aufgebracht.
Wissen Sie, wir haben schon einiges erlebt. Und wir wissen, dass man sich auf diese Weise in arabischen Staaten Gehör verschaffen kann. Aber doch nicht bei uns! In Deutschland – auf unseren Straßen, wo Freiheit und Frieden herrschen sollen. Und das, nachdem Innenminister Thomas de Maizière gerade erst den Kampf gegen den Antisemitismus zur Staatsräson erklärt hat. Wo ist sie, die Staatsräson? Warum verhindern Polizei und Politik das nicht? Das ist reinster Antisemitismus. Verbale Verurteilungen reichen dagegen nicht mehr aus.
-Halten Sie solche Proteste gegen Israel auch in München für vorstellbar?
Nein. Da Politik, Justiz und Polizei sich hier eben intensiv um solche Dinge kümmern, würden sich antisemitische Aktivisten das in München wohl nicht trauen. Hier wird härter durchgegriffen als in allen anderen Ländern und vor allem als in Berlin. Jedenfalls hoffe ich das.
-Wie empfinden Sie die öffentliche Wahrnehmung der Anti-Israel-Proteste? Ist Deutschland gegenüber den Demonstranten zu kulant?
Wir erfahren einerseits viel öffentlichen Rückhalt. Wie jetzt durch den Münchner Stadtrat, der gestern klar und konkret Stellung gegen Antisemitismus bezogen hat. Dafür bin ich dankbar. Allerdings gibt es von anderer Seite auch öffentlich vorgebrachtes Verständnis für diesen neuen Antisemitismus, wie wir ihn in Berlin gesehen haben. Man hört Relativierungen. Das belegt, dass der Antisemitismus in den vergangenen Jahren enorm erstarkt ist. Ich habe lange davor gewarnt, man hat das ja spüren können. Dieser Antisemitismus ist politisch rechts wie links angesiedelt, sogar in der Mitte der Gesellschaft – und vor allem unter Muslimen.
-Ist dieser neue Antisemitismus also auch ein zugewanderter?
Selbstverständlich. Was da gerade eskaliert, ist ein tradierter Judenhass, dem jeder Vorwand recht ist. Wenn das aber in Deutschland ohne Reaktion hingenommen wird, sollten wir auch darüber nachdenken. Man hat das alles kommen sehen. Der Hass auf Israel, der Hass auf Juden – das alles war bekannt, und Deutschland hat großzügig darüber hinweggesehen. Und es gab natürlich auch hier schon vorher Antisemiten, die sich nun bestätigt sehen.
-Wie sehen Sie angesichts dessen die Situation der Juden in Deutschland?
Es ist eine ganz neue Ära angebrochen, auf die wir alle gerne verzichtet hätten. Wir wissen nicht, was morgen in welcher Stadt passieren kann.
-Was muss nun geschehen?
Ich kann den verantwortlichen Politikern nur zurufen: Bitte passt auf! Bitte handelt! Wendet die Gesetze an! Und gebt den Polizisten bei solchen Demonstrationen alle Freiheiten, genau das zu tun.
Interview: Sebastian Horsch