Moskau – Wladimir Putin hat in den Wahlkampfmodus geschaltet. In drei Monaten wählt Russland seinen Staatschef – und der Amtsinhaber gibt sich auf der großen Bühne seiner Konferenz mit der Weltpresse selbst- und siegessicher. „Viele Leute sind unzufrieden, und sie haben recht. Es wäre möglich, bessere Ergebnisse zu erzielen“, sagt Putin bei seiner Jahrespressekonferenz.
Das Konzept: 65 Fragen und eine große Bühne für ihn alleine. Seit 2001 kultiviert Putin dieses Format. Zur 13. Auflage sind diesmal mehr als 1600 Reporter gekommen. Um Putins Aufmerksamkeit zu bekommen und eine Frage stellen zu dürfen, lassen die Journalisten ihre Kreativität spielen. Manche verkleiden sich bunt, andere schwenken Plakate. „Ich habe heute Geburtstag“, steht in farbigen Buchstaben auf einem.
Eigentlich hatte Putin die wichtigsten Fragen schon vor der großen Show beantwortet. Ja, er wird antreten bei der Wahl. Und ja, es wird Zeit, dass das Gros der russischen Soldaten aus Syrien heimkehrt. Das hatte er in den vergangenen Tagen angekündigt.
Zeit also, ins Detail zu gehen. Seit dem Jahr 2000 sei das Bruttoinlandsprodukt um 75 Prozent gewachsen, der Reallohn sei um 3,5 Prozent gestiegen, sagt Putin. Seit 2000? Es ist das Jahr, seit dem Putin an der Macht ist – als Präsident und teils als Regierungschef (2008 bis 2012). Die Botschaft ist deutlich: Bei ihm wissen die Bürger, was sie haben. Doch ein Programm? Das stellt Putin nicht vor.
Zu Wirtschaftsprojekten, zu Renten oder zur internationalen Verträgen kann er dagegen auftrumpfen. Putin liebt solche Fragen, bei denen er mit Detailwissen glänzen kann. Für 2018 plane Russland umgerechnet rund 40 Milliarden Euro für Rüstung ein. Das macht Eindruck. Szenenapplaus gibt es auch für seine Kritik der Sanktionspolitik der USA.
Doch spätestens als Putin selbst der schillernden Journalistin Xenia Sobtschak das Wort erteilt, die sich bei der Wahl als Protestkandidatin „gegen alle“ anderen sieht, gerät die Konferenz zu einem bizarren Wahl-Theater. „Sie treten mit der Losung auf ,Gegen alle‘. Ist das ein positives Programm?“ Erneut erntet Putin Applaus im Saal.
Sobtschaks Bewerbung ist umstritten. Kritiker werfen ihr vor, eine Marionette des Kremls zu sein, die den Wahlkampf interessanter machen und liberale Stimmen kanalisieren soll. Sie weist das zurück. Mit Blick auf Druck gegen Oppositionelle wie den Politiker Alexej Nawalny, der nicht kandidieren darf, will sie von Putin wissen, ob die Regierung Angst habe vor Konkurrenz. „Ich versichere Ihnen, die Staatsmacht fürchtet niemanden“, sagt Putin.
Der Politologe Andrej Kolesnikow kann Sobtschaks Auftritt bei der Pressekonferenz derweil nicht ernstnehmen. „Sie ist ein Kreml-Projekt“, sagte der Experte vom Moskauer Carnegie-Zentrum der Deutschen Presse-Agentur. „Ihre Rolle ist, die Vertretung liberaler Ansichten zu imitieren.“ Thomas Körber