Berlin – SPD-Chef Martin Schulz hat einen Etappensieg errungen, doch richtig glücklich sieht er nicht aus. „Für mich sind die Weihnachtsferien abgesagt“, sagt er am Freitag auf dem Podium im Willy-Brandt-Haus. Der 45-köpfige Vorstand hat ihm einstimmig bei einer Enthaltung das Mandat gegeben, mit der Union von Kanzlerin Angela Merkel über eine Regierungsbildung zu verhandeln.
-Wie wahrscheinlich ist nun eine Große Koalition?
Das hängt vor allem davon ab, ob Schulz genug herausholen kann in den Sondierungen in den ersten beiden Januarwochen, sodass er beim Sonderparteitag das Okay der Basis für konkrete Koalitionsverhandlungen bekommt. Bisher sind nach Schätzungen in einzelnen SPD-Landesverbänden bis zu zwei Drittel der Delegierten gegen eine neue GroKo. Schulz will bei den Sondierungen mit der Union für einen „anderen Stil“ sorgen als bei den gescheiterten Jamaika-Verhandlungen von Union, FDP und Grünen. „Bei uns wird es keine Balkonbilder geben, auch kein Winken.“ Twittern von Zwischenständen will er unterbinden.
-Wie lautet die Taktik beider Seiten?
Merkel weiß, dass Schulz ein paar „Leuchtturmprojekte“ braucht, um den Parteitag zu überstehen. Und wenn es zum Koalitionsvertrag kommt, auch noch das abschließende Votum der 440 000 Mitglieder. Doch CDU und CSU wollen nur über eine Große Koalition reden. Schulz dagegen will auch andere Modelle „ergebnisoffen“ verhandeln – wie eine von der SPD tolerierte Minderheitsregierung oder eine „Kooperationskoalition“, bei der die SPD zwar Minister in die Regierung schickt, aber nur bei Kernprojekten wie dem Haushalt und Auslandseinsätzen mit der Union kooperiert. Bei anderen Themen könnten sich beide Seiten hier auch mit anderen Parteien verbünden.
-Warum liegt hier eine große Gefahr für Schulz?
Gerade die Jusos sammeln Verbündete für ihre Kampagne #NoGroKo. Sie argwöhnen, die Parteispitze habe sich längst auf Verhandlungen eingestellt und nähre nur noch die Illusion von anderen Optionen, um sie ruhigzustellen. Schulz hat in sein zwölfköpfiges Sondierungsteam auch den Landeschef der SPD in Nordrhein-Westfalen, Michael Groscheck, geholt. Im größten Landesverband, der fast ein Viertel der Delegierten bei dem Sonderparteitag stellt, gibt es große Ablehnung; hier wird eine Minderheitsregierung favorisiert. Ähnlich sieht es in Bayern aus – auch Landeschefin Natascha Kohnen verhandelt als Bundes-Vize künftig mit. Hat Schulz zu wenig zu bieten, droht eine Ablehnung, dann wäre auch er als Parteichef kaum zu halten.
-Wo deuten sich inhaltliche Kompromisse an?
Zum Beispiel bei einem SPD-Herzensthema, dem Rückkehrrecht von Teilzeitbeschäftigten auf Vollzeitstellen, was vor allem hunderttausende Frauen betrifft.Interessant: Schulz redet auch nicht mehr über eine einheitliche Krankenkasse.
-Wer sind die entscheidenden Figuren der SPD
Neben Parteichef Schulz natürlich Fraktionschefin Andrea Nahles. Eine gewichtige Rolle kommt aber auch dem neuen „Parteiliebling“ Malu Dreyer zu – sie wurde gerade erst mit famosen 97,5 Prozent zur neuen SPD-Vizechefin gewählt. Senkt sie am Ende den Daumen, dürfte es schwierig werden.