Regierungsbildung

Die SPD steuert in die Falle

von Redaktion

von Georg Ismar, Jörg Blank und Mike Schier

Berlin – Über die dürre Erklärung nach dem ersten „In-die-Augen-Schauen“ wurde lange verhandelt. Der entscheidende Satz nach dem Spitzentreffen von Angela Merkel (CDU), Horst Seehofer (CSU) und Martin Schulz (SPD) lautet: „Die Vertreter von CDU und CSU haben deutlich gemacht, dass sie gemeinsam mit der SPD Sondierungen zur Bildung einer stabilen Regierung aufnehmen wollen.“

Die Union zieht damit eine rote Linie und beerdigt quasi alle Träumereien von alternativen Modellen einer Regierungsbildung, bei denen die SPD statt in einer echten Großen Koalition nur halb mit der Union regieren müsste und nebenher etwas Opposition machen könnte. Die SPD trägt die Erklärung mit – heute entscheidet aber dann die Partei, ob es unter diesen Bedingungen Sondierungsgespräche geben soll. „Entweder es wird alles sondiert oder es wird nicht sondiert“, macht ein einflussreicher SPD-Linker klar.

Die neue Vize-Vorsitzende der SPD, Natascha Kohnen, lehnt die Forderung ab, nur über eine feste Koalition zu verhandeln. „Offenbar scheint Angela Merkel wegen ihres moderierenden Regierungsstils eine Minderheitsregierung zu fürchten. So läuft das aber nicht“, sagt Kohnen unserer Zeitung. „Ergebnisoffen muss für alle gelten.“ Kohnen, die auch SPD-Spitzenkandidatin bei der Landtagswahl in Bayern werden soll, kündigt intensive Gespräche des Bundesvorstands an. „Wir werden das genau besprechen. Der Weg kann nur über Inhalte gehen.“

Merkel möchte nach dem Debakel der Jamaika-Sondierungen zügig eine krisenfeste Regierung bilden, immer wieder schwirrt aber auch der Vorschlag für eine Minderheitsregierung umher. So favorisiert der größte SPD-Landesverband Nordrhein-Westfalen ein Bündnis, in dem die Union alle Minister stellt und partiell von der SPD unterstützt wird. Doch was, wenn Schulz darüber gar nicht mehr verhandeln kann, weil Merkel das kategorisch ablehnt? Scheitert das Projekt schon heute?

Vielleicht war es ein strategischer Fehler von Schulz, seiner Partei „ergebnisoffene Gespräche“ mit der Union zu versprechen. Er steuert die SPD damit in eine Falle: Mit einer Kooperationskoalition („KoKo“) könnte Schulz zwar das Trauma „GroKo“ bekämpfen, die SPD könnte mehr Kante und Profil zeigen – er wird sein Versprechen aber wohl nicht ganz halten können. Das werfen ihm Kritiker immer wieder vor: Statt einem klaren Kurs verspricht er allen vieles, um dann die Fäden nicht zusammenzubekommen.

Merkel wartet ab. Am Donnerstagmorgen wiederholt sie in einer kurzen Telefonschalte mit ihrem Vorstand nach Teilnehmerangaben die dürre Stellungnahme vom Vorabend. Auch wenn die Worte „Große Koalition“ darin nicht vorkommen, soll jedem klar sein, dass die Union nicht für Wackelspielchen zur Verfügung steht. Was noch hinter den knappen Sätzen vom Spitzentreffen steht, umschreibt Saar-Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) in der „Wirtschaftswoche“: „Aus Sicht der CDU könnte und sollte es konzentrierter und schneller gehen.“ Schließlich werde auch wegen der Probleme in der EU eine Bundesregierung mit klarem Mandat gebraucht. Parteivize Julia Klöckner mahnt, sich jetzt öffentlich zurückzuhalten und sich bis zur SPD-Entscheidung zu gedulden.

Und noch eine Entwicklung in der Endlos-Geschichte „Deutschland sucht eine Regierung“ gibt es: Trotz des Neins von FDP-Chef Christian Lindner schließt dessen Vize Wolfgang Kubicki im „Focus“ einen Jamaika-Neuanlauf nicht aus, sollten die Gespräche zwischen Union und SPD scheitern. „Eine alte Kommandeursweisheit lautet: Wenn eine neue Lage da ist, muss man sie neu bewerten“, meint Kubicki vielsagend.

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