Mays Abstimmungsniederlage im Unterhaus

Schmach und Segen

von Redaktion

Für Theresa May ist das Jahr 2017 endgültig zum „annus horribilis“ geworden, wie die Queen einst ihr eigenes Katastrophenjahr 1992 betitelte: Erst der ohne Not selbst herbeigeführte Verlust der absoluten Parlamentsmehrheit im Juni, der die jetzige Demütigung der Premierministerin durch die Abstimmungsniederlage im Unterhaus erst forcierte. Dann das monatelange Tauziehen mit der Rest-EU über Scheidungskosten des Brexits, Irland-Grenze und Rechte der EU-Bürger. Und ausgerechnet jetzt, da May auf dem EU-Gipfel den Übergang in die ersehnte zweite Verhandlungsetappe über die Gestaltung der künftigen Beziehungen zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU einleiten will, bricht in der Tory-Fraktion die Rebellion los. Doch was für May eine Schmach ist, kann sich für Großbritannien noch als Segen erweisen.

Ausgerechnet im Mutterland des Parlamentarismus sollte eine nationale Existenzfrage (und als solche erweist sich der Brexit immer mehr) weitestgehend ohne Mitsprache der Volksvertretung durchgesetzt werden. Nicht nur demokratietheoretisch eine Zumutung. Zudem hat Mays Zwei-Sprachen-Politik – eine Version für Brüssel, eine für das heimische Publikum in London – gezeigt, wie notwendig parlamentarische Kontrolle ist, damit wirklich über Fakten und nicht wie beim Referendum über Luftnummern geredet wird.

Frei nach Horst Seehofer: Beim Brexit ist noch alles möglich – auch das Gegenteil.

Alexander Weber

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