Das ist keine Partei im Moment, sondern ein Ensemble. Mit kleiner und großer Schauspielkunst bemüht sich die CSU, der Bevölkerung größte Geschlossenheit vorzu-gaukeln, vor allem zwischen den Bühnenpromis Seehofer und Söder. Ob man das nun sonderlich glaubwürdig finden mag oder nicht: Gespieltes Miteinander ist besser als das öffentliche Gegeneinander der letzten Jahre. Die CSU findet mit ihrem Nürnberger Doppelspitzen-Parteitag jedenfalls zu der Formation, mit der sie am lautstärksten auftreten kann. Ob das auch die beste ist, wird eh erst das Wahlergebnis im Oktober 2018 beweisen.
Über der inszenierten Harmonie schwebt nicht die Frage: Wieso der Söder? Sondern: Warum erst jetzt? Denn woran es Söder vor allem fehlt, ist Zeit, um die teils erheblichen Vorbehalte in der Bevölkerung gegen ihn abzubauen. Diese Konstellation, den inszenierten Schulterschluss der beiden Leithammel, hätte vor allem Seehofer Monate früher haben können und, wenn das denn so alternativlos ist, akzeptieren müssen. Er hätte der Partei damit die halb öffentlichen Grabenkämpfe ersparen können, vielleicht auch das letzte Stück des Absturzes in den Umfragen. Und sich selbst die Blamage mit dem letztlich gescheiterten Geheimtreffen der Söder-Gegner, die noch Tage vor der Entscheidung versucht hatten, irgendwie Joachim Herrmann nach vorne zu schieben.
Manchen Delegierten wird es sehr in den Fingern jucken, bei der Vorstandswahl am Samstag die Inszenierung zu stören. Kuriose Situation: Jetzt ist Seehofer bei seinen Delegierten auf eine Eigenschaft angewiesen, von der er zuletzt nicht genug zeigte – strategische Weitsicht.
Christian Deutschländer
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