Abu Walaa vor Gericht – Salafisten geschwächt?

von Redaktion

Bald Urteil gegen wichtigsten IS-Strippenzieher in Deutschland – „Vergleichbare Führungsperson nicht erkennbar“

Düsseldorf/Hannover – Vor gut einem Jahr haben die Behörden das Netzwerk des Hasspredigers Abu Walaa zerschlagen. Der wohl wichtigste Strippenzieher der IS-Terrormiliz in Deutschland steht vor Gericht. Und dennoch: In Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen, wo der Iraker und seine vor dem Oberlandesgericht Celle mitangeklagten Helfer junge Menschen radikalisiert haben sollen, vermelden die Behörden eine steigende Zahl von Islamisten.

Auf den ersten Blick scheint es paradox, dass die Behörden dennoch erklären: Der Schlag gegen den charismatischen Prediger habe die Szene nachhaltig geschwächt. „Der ständige Druck durch konsequente Strafverfolgung und Verbotsverfahren führt zu einer Phase der Verunsicherung in der salafistischen Szene“, sagt Tobias Dunkel, Sprecher des Innenministeriums in Düsseldorf. „Salafisten betätigen sich zunehmend nicht öffentlich, sondern halten Treffen und Ideologieschulungen in privaten Räumen ab.“

„Eine vergleichbare charismatische Führungsperson wie Abu Walaa ist für Niedersachsen, aber auch darüber hinaus, im Moment nicht erkennbar“, erklärt ein Sprecher des niedersächsischen Verfassungsschutzes. Das liege auch am militärischen Niedergang des IS und der Schwächung seines propagandistischen Wirkens.

Trotzdem gebe es keinen Grund zur Entwarnung: „Wir müssen damit rechnen, dass sich Propaganda und Aktivitäten in neuen Bereichen wieder entfalten“, sagt Ministeriumssprecher Dunkel. Deshalb blieben die Sicherheitsbehörden in NRW wachsam und gingen mit allen Mitteln gegen den gewaltbereiten Salafismus vor. Wie nötig das ist, zeigt nicht zuletzt folgende Verbindung: In Abu Walaas Umfeld soll sich auch Anis Amri aufgehalten haben. Der spätere Attentäter vom Berliner Breitscheidplatz.

Dass die Salafisten die durch Walaas Verhaftung entstandene Lücke zu schließen versuchen, zeigt sich derweil in den sozialen Medien. Seine Rolle bei einer Online-Koran-Schulungsplattform der radikalen Islamisten übernahm der Frankfurter Prediger Sheikh Abdellatif Rouali. Er gehört zu einem verbotenen Salafistenverein.

„Lücken werden schnell geschlossen“, meint auch der Osnabrücker Islamwissenschaftler Michael Kiefer. Die salafistische Szene sei hochmobil, ihre Akteure hielten sich beispielsweise ein halbes Jahr in Hamburg, dann in Hildesheim oder Dortmund auf.

In NRW gehen die Behörden davon aus, dass die Zahl der Salafisten inzwischen bei etwa 3000 liegt, zuletzt war der Anstieg aber nur noch gering. In Niedersachsen schätzt der Verfassungsschutz die Zahl derzeit auf rund 800, zu Jahresbeginn war noch von 680 die Rede.

Unterdessen mussten die Behörden in Berlin einen wegen Drogenhandels inhaftierten Islamisten aus der Untersuchungshaft entlassen. Das berichtet der „Tagesspiegel“. Grund für die Freilassung sei der Umstand, dass die U-Haft für Verdächtige nur in Ausnahmefällen länger als sechs Monate dauern dürfe.  dpa/mfh

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