Es gibt nichts zu beschönigen: Spaniens Staatsspitze hat in der Katalonien-Krise auf beispiellose Weise versagt. Nicht nur, dass sich Ministerpräsident Mariano Rajoy jedem Gespräch mit den Separatisten verweigerte und das wachsende Ungerechtigkeitsempfinden vieler Katalanen ignorierte. Die Schikanen vor dem Unabhängigkeitsreferendum, das gewaltsame Vorgehen der Polizei gegen Demonstranten, die Verhaftungen von Politikern schürten auch das Bild eines autoritären Staates, gegen den aufzustehen für viele auf einmal legitim war. Mit Härte und Repression lassen sich zaudernde Herzen aber nicht zurückgewinnen. Es ist geradezu irre, dass Rajoy trotz allem annehmen konnte, die Separatisten würden sich bei Neuwahlen selbst zerlegen.
Das Gegenteil ist passiert und der düpierte Regierungschef wird damit leben müssen, dass er die so verhassten Spalter wieder stark gemacht hat. Deren knappe absolute Mehrheit ist sicher kein solides Mandat für die Unabhängigkeit. Aber ein starkes Argument für die Ansprüche, die die künftige katalanische Regierung an Spanien stellen wird. Spätestens jetzt müsste Rajoy dämmern, dass die Zeit der Härte vorbei ist. Aber sein stures Beharren auf einem Recht, das vielen längst wie Unrecht erscheint, führt Spanien nur noch weiter in die Sackgasse. Deshalb ist auch die Zeit des Wegduckens vorbei: Die EU muss vermitteln, egal wie. In Katalonien geht es auch um die Einheit Europas.
Marcus Mäckler
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