München/Berlin – Am besten soll niemand mitbekommen, dass die Weihnachtspause in Berlin heuer beinahe komplett ausfällt. Diskret, ja beinahe konspirativ soll das nächste Treffen zwischen den Spitzen von Union und SPD ablaufen. Schon am 3. Januar, also vier Tage vor Beginn der offiziellen Sondierungen, wollen sich die Parteichefs Angela Merkel (CDU), Horst Seehofer (CSU) und Martin Schulz (SPD) sowie ihre Spitzenleute wieder zusammensetzen, um eine neue Große Koalition auszuloten. In aller Ruhe, mit möglichst wenig Öffentlichkeit. Bekannt wurde der Termin dennoch. Und Zwischentöne gibt es rund um die Weihnachtsfeiertage ebenfalls genug: In Interviews stellen die Politiker immer neue Forderungen.
Noch-Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) warnt vor den negativen Folgen einer Minderheitsregierung – was eher an seine eigene Partei als an die Union gerichtet sein dürfte. „Ich bin da eher skeptisch, weil eine wackelige Regierung in Deutschland vermutlich in Europa zum Beben führen könnte“, sagte er. Für die GroKo müssten aber zentrale SPD-Forderungen umgesetzt werden, etwa die Bürgerversicherung. SPD-Fraktionschefin Andra Nahles pocht auf höhere Steuern für Reiche: Sie müssten durch einen höheren Spitzensteuersatz belastet und mit einer Reichensteuer an der Finanzierung staatlicher Aufgaben beteiligt werden. „Und wir wollen die Abgeltungssteuer abschaffen“, sagte sie dem „Spiegel“. „Wir werden Frau Merkel nicht wegen ein paar Überschriften erneut zur Kanzlerin wählen.“
Die CSU stellte sich umgehend gegen jede Steuererhöhung. Die Union insgesamt fährt eine Doppelstrategie: Während Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU) der SPD Zugeständnisse anbietet, etwa bei der Pflege, lehnt Gesundheitsminister Hermann Gröhe die Wiedereinführung einer paritätischen Finanzierung des Krankenkassenbeitrags ab. Er könne sich aber vorstellen, „dass wir uns auf eine Deckelung des Zusatzbeitrags einigen“, sagte Gröhe der „Rheinischen Post“. CDU-Wirtschaftsrat Werner Michael Bahlsen weist derweil den Anspruch von SPD-Chef Schulz auf das Finanzministerium zurück. Sonst sei die schwarze Null bald Geschichte, sagte Bahlsen dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“.
Auch Altkanzler Gerhard Schröder (SPD) mischt in der Diskussion fleißig mit, obwohl er gar nicht zum Verhandlungsteam gehört und seine Äußerungen auch in der eigenen Partei teilweise als störend empfunden werden. Man müsse zwischen Partei und einzelnen Funktionären unterscheiden, die sich gerne an ihm reiben würden, „um selbst größer zu wirken“. Schröder empfiehlt, beim Thema GroKo „in die Pötte zu kommen, und zwar schnell“. Das klingt nach seiner früheren „Basta“-Ansage. Er habe die Lust an der Provokation ja auch nie ganz unterdrücken können, räumt Schröder ein – und spricht dann ausgerechnet das Thema Russland an. Das sehen viele Genossen spätestens seit seinem Engagement im Aufsichtsrat des russischen Gaskonzerns Rosneft sehr kritisch. „Ich vertraue Wladimir Putin“, sagte Schröder. „Freundschaft bedeutet ja, dass man dem anderen auch seine Meinung sagt und ihn kritisiert. Aber das tut man nicht öffentlich, sondern unter vier Augen.“ Genauso, wie es die Spitzen von Union und SPD handhaben wollen. Wenn da die vielen Interviews nicht wären. Sebastian Dorn