„Wahlen sind auch Schönheitswettbewerbe“

von Redaktion

Soziologe Ulrich Rosar über den Faktor Attraktivität auf die Wahlentscheidung – und die bayerische Landtagswahl

München – Wählerinnen und Wähler bevorzugen attraktive Kandidaten. Das jedenfalls behauptet der Soziologe Ulrich Rosar. An diesem Mittwoch präsentiert er seine Erkenntnisse zur Bundestagswahl.

-Herr Rosar, welche Rolle spielte das Aussehen der Kandidaten bei der Bundestagswahl?

Bundestagswahlen sind auch Schönheitswettbewerbe. Die Attraktivität der Kandidaten war für die Wähler dieses Mal der zweitstärkste Faktor für ihre Entscheidung – unter allen Personeneigenschaften. So starke Effekte haben wir noch nie gemessen.

-Plakativ: Hätte sich SPD-Kandidat Martin Schulz mehr um sein Äußeres kümmern sollen?

Das hätte mit Sicherheit nicht geschadet. Allerdings möchte ich klarstellen: Es geht nicht darum, wie George Clooney auszusehen. Sondern darum, besser als die Konkurrenz auszusehen. Übrigens mit der Einschränkung, dass es nicht gewollt wirken darf.

-Auf Bart und Haarkranz zu verzichten hätte Schulz der Kanzlerschaft also nicht näher gebracht?

Auf diese ohnehin nicht ganz ernst gemeinte Diskussion sofort zu reagieren, wäre wohl nach hinten losgegangen. Eine solche Typveränderung kann nur langsam erfolgen.

-Siehe Angela Merkel?

Merkel ist dafür tatsächlich ein gutes Beispiel. Vergleicht man Fotos aus den 90er-Jahren mit Fotos kurz vor ihrem Wahlsieg 2005, fällt auf: Sie hat ihr Äußeres über die Jahre aufgewertet.

-Was ist mit FDP-Chef Christian Lindner?

Einen direkten Effekt von Lindners Aussehen auf das FDP-Ergebnis nachzuweisen, ist statistisch extrem schwierig. Dafür ist die Zahl der anderen Spitzenkandidaten als Vergleichsgrößen zu gering.

-Wie kann man denn Attraktivität überhaupt messen?

Wir alle fällen sehr ähnliche Urteile darüber, wer attraktiv ist und wer nicht. Für unsere Studien heißt das: Wir legen 24 Testpersonen ein Porträtfoto vor – und lassen sie spontan die Attraktivität auf einer Skala von 0 bis 6 einschätzen. Dann bildet man den Mittelwert – und hat den „wahren Attraktivitätswert“.

-Über politische Inhalte haben wir noch gar nicht gesprochen.

Genau. Und das ist problematisch. Zumal es keine Hinweis darauf gibt, dass attraktivere Politiker inhaltlich besser sind.

-Wie oft hören Sie den Vorwurf, Oberflächlichkeit zu bedienen?

Ständig. Das stimmt aber nicht. Bei unserer Forschung geht es auch nicht nur um Politik, sondern um fast alle Lebensbereiche. Unser wichtigstes Thema ist Diskriminierung. Denn attraktive Menschen haben oft einen nicht gerechtfertigten Wettbewerbsvorteil.

-Das beginnt schon in der Schule?

In der Tat. Hübsche Kinder kriegen oft bessere Noten. Interessant: Für Mädchen ist dieser Effekt schwächer als für Jungen. Das hat aber eher damit zu tun, dass Mädchen im Bildungsbereich inzwischen positiv diskriminiert werden. Das heißt: Man traut ihnen grundsätzlich mehr zu.

-Zurück zur Politik. In Bayern wählen die Menschen im Herbst. Wie attraktiv finden die Wähler den CSU-Spitzenkandidaten Markus Söder?

Zu Herrn Söder haben wir noch keine Messungen durchgeführt.

-Was vermuten Sie?

Für einen Mann würde er wohl im oberen Mittelfeld landen. Söder ist groß – und bringt vieles mit, was einen attraktiven Mann auszeichnet. Er ist allerdings übergewichtig, was immer nachteilig ist. Und er kommt langsam in ein fortgeschrittenes Alter. Beides ist einem hohen Attraktivitätswert eher abträglich.

Interview: Maximilian Heim

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