Grenzen für die Zuwanderung
Der Freitagmorgen war schon angebrochen, berichten Unterhändler, das Frühstück stand auf Tabletts bereit, und noch immer kämpften CSU und SPD um Halbsätze der Migrationspolitik. Der Kompromiss enthält viele Aspekte, die den Christsozialen wichtig sind – nicht aber, was für die SPD entscheidend war, den Begriff „Obergrenze“. Eine „Spanne von jährlich 180 000 bis 220 000“ Zuwanderern legt die designierte Koalition fest. Enthalten sind Kriegsflüchtlinge, Familiennachzug, innereuropäische Umsiedlung von Geflüchteten; abgezogen werden Rückführungen und freiwillige Ausreisen künftiger Flüchtlinge. Wörtlich greift das Papier eine Formel der Kanzlerin aus dem Wahlkampf auf: „Damit sich eine Situation wie 2015 nicht wiederholt.“
Künftig sollen Asylverfahren in „zentralen Aufnahme-, Entscheidungs- und Rückführungseinrichtungen“ stattfinden. „Anker“ heißt die Abkürzung für diese Zentren. Ohne positive Bleibeprognose sollen Asylbewerber gar nicht erst übers Land verteilt werden. Wer Schutz will, muss „Mitwirkungspflichten“ erfüllen: Fingerabdruck abgeben, Name, Alter, Herkunft nennen. Konkreter wird das Papier nicht – weder werden Abweisungen ohne Pass noch das umstrittene Röntgen zur Altersfeststellung benannt.
Umgang mit den Herkunftsländern
Die künftige GroKo will Algerien, Marokko und Tunesien „sowie weitere Staaten mit einer regelmäßigen Asyl-Anerkennungsquote unter fünf Prozent“ zu sicheren Herkunftsstaaten erklären. Da ist allerdings noch offen, ob der Bundesrat mitmacht. Für andere Länder gilt: „Wir wollen die Fluchtursachen bekämpfen, nicht die Flüchtlinge.“ Darunter zählt die Koalition einen Ausbau des humanitären Engagements – wohl vor allem in Afrika –, eine bessere Entwicklungszusammenarbeit, eine „faire Handels- und Landwirtschaftspolitik“ sowie den Klimaschutz und eine „restriktive Rüstungspolitik“.
Familiennachzug und Fachkräfte
Dieser Punkt war am härtesten umkämpft. Am Ende legte CDU-Kanzlerin Angela Merkel persönlich einen Formulierungsvorschlag vor. Der Familiennachzug für Flüchtlinge mit eingeschränktem Schutzstatus bleibt vorerst komplett ausgesetzt. Bis spätestens Ende Juli soll der Bundestag neue Regeln beschließen. Maximal 1000 Menschen pro Monat sollen nachziehen dürfen. Familiennachzug wird nur gewährt, wenn es sich um Ehen handelt, die vor der Flucht geschlossen worden sind, keine schweren Straftaten begangen wurden, es sich nicht um Gefährder handelt und eine schnelle Ausreise nicht ansteht. Parallel dazu plant die Koalition ein Zuwanderungsgesetz für Fachkräfte. „Der Teil der Migration, den wir steuern können, muss sich primär an den volkswirtschaftlichen Interessen unseres Landes orientieren.“ Ob mit Punktesystem oder ohne, bleibt offen. Teil dieses Pakets ist auch, dass langjährig Geduldete leichter Arbeit annehmen dürfen.
Das Konzept für Umwelt und Klima
Das Klimaziel 2020 habe die Politik verloren gegeben, hieß es schon zu Beginn der Gespräche. Die Parteien bekennen sich zwar weiterhin zu den Klimazielen 2020, 2030 und 2050, im Sondierungspapier geben sie aber zu verstehen, dass es sich beim Minderungsziel 2020 vor allem um einen Lückenschluss handelt. Das heißt: Die designierte Koalition will Maßnahmen ergreifen, um die Lücke zum Erreichen des 40-Prozent-Ziels „so weit wie möglich“ zu schließen.
Dafür werde eine neue Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ mit Vertretern aus Politik, Wirtschaft, Umweltverbänden, Gewerkschaften sowie der betroffenen Länder und Regionen bis Ende 2018 ein Aktionsprogramm erarbeiten. Elemente dieses Plans sollen unter anderem Maßnahmen sein, die das Ziel für 2030 zuverlässig absichern, sowie der Abschied vom Kohlestrom mit all seinen Konsequenzen. Das Klimaziel 2030 soll 2019 per Gesetz rechtlich verbindlich werden.
Union und SPD wollen dafür den marktorientierten Ausbau erneuerbarer Energien vorantreiben – auch, um den dadurch erhöhten Strombedarf in Verkehr und Industrie decken zu können. Konkret erhoffen sich die Parteien einen Anteil erneuerbarer Energien von 65 Prozent. Ergänzend stehen auf der Agenda Programme zum Erhalt der Natur wie das „Nationale Naturerbe“, aber auch der vorbeugende Hochwasserschutz.
Der Umbau bei der Bildung
„Die Kultushoheit bleibt Kompetenz der Länder“, heißt es im Sondierungspapier – ein Punkt, der auch Bayerns Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU) für die Sondierung sehr wichtig war. Hier bleibt es beim Kooperationsverbot: Schulpolitik ist wie gehabt Ländersache, der Bund wird nicht bestimmen können, ob ein Gymnasium acht- oder neunjährig ist oder ob Mittel- und Realschule fusionieren müssen. Allerdings soll durch eine Grundgesetzänderung erreicht werden, dass Geld des Bundes in die Schulen fließen kann – was bisher kaum möglich war. Die Rede ist von sechs Milliarden in den kommenden vier Jahren. Finanzmittel könnten in die Ganztags-Betreuung fließen – denn die Große Koalition will einen Rechtsanspruch im Grundschulalter garantieren. Auch für die Digitalisierung soll Geld vom Bund kommen – hier steht die alte GroKo, die einen Digitalpakt über fünf Milliarden Euro versprochen hatte, sowieso noch im Wort. Offen ist, welche Kompetenzen ein von den Sondierern vereinbarter Nationaler Bildungsrat erhalten wird.