Der Spott liegt nahe: Aus der harten 200 000er-Obergrenze wurde erst ein atmender Deckel, jetzt eine Spanne – eine Art atmender Oberschwamm? Das als konsequente Kante anzusehen, wird nicht leicht. Trotzdem kommt es auf die Details im Kompromiss an. Sie sind wichtig. Auf dem Politikfeld Migration hat die Große Koalition ab 2015 so krachend versagt, dass sie eigentlich abgewählt gehörte. Nun, wo sie bleiben darf, ist deshalb jedes Wort ihrer Pläne auf die Goldwaage zu legen.
Tatsächlich atmet die Asyl-Vorlage viel CSU-Gedankengut. Das ist nicht in jedem Politikfeld zielführend, in diesem schon. Zum ersten Mal bekennt sich die Regierung zu einem Maximum, nun 220 000. Diese Zahl werde nicht überschritten. Weil das für sich etwas lächerlich wirken würde (Beschluss: Es gibt einfach keine Flüchtlingskrise mehr), folgen konkrete Absprachen. Auf die 220 000 wird die Rückkehr bisheriger Migranten nicht angerechnet – da geht’s um Hunderttausende! –, der Familiennachzug wird strikt begrenzt, bleibt vorerst sogar ausgesetzt. Neue Flüchtlinge landen in zentralen Aufnahmestellen, die ihre Identität konsequenter als bisher prüfen. Algerien, Marokko und Tunesien – bei Bedarf weitere – werden zu sicheren Herkunftsstaaten bestimmt (wenn die Grünen im Bundesrat nicht wieder blockieren). Deutschland hilft viel mehr in den Heimatländern.
Auf der anderen Seite stehen der Ausbau der Integration, mehr Arbeitsmöglichkeiten für dauerhaft Geduldete und generell die Anerkennung für die Riesenleistung, die viele Helfer seit 2015 erbrachten. Das klingt schon nach einem ausgewogenen Paket, das – konsequent umgesetzt – Probleme lindern kann. Nur eines bleibt wohl auf ewig ein Geheimnis: Warum so ein Konzept mit der Merkel-CDU erst nach der Wahl möglich war.
Christian Deutschländer
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