Parteichefs wollen die dritte GroKo

Zurück zum Schutzstaat

von Redaktion

Na bitte, geht doch! In fünf Tagen konzentrierter Verhandlungen haben die akut sturzgefährdeten Chefs der drei Volksparteien CDU, CSU und SPD geschafft, woran die kapriziösen Jamaika-Möchtegernkoalitionäre in vier Wochen gespreizter Balkon-Diplomatie gescheitert sind. Gewiss: Die GroKo-Sondierungsvereinbarung ist keine Hochzeit im Himmel, keine hochfliegende Vision über eine „Versöhnung von Ökonomie und Ökologie“. Kritiker dürfen sie ein Laufzeitverlängerungsprogramm für Merkel, Seehofer und Schulz schmähen. Enttäuschend ist – wieder mal – die Mutlosigkeit in der Steuer(entlastungs)politik. Man kennt das ja. Aber sie ist auch ein solides, wenn auch teures Arbeitsprogramm, auf dessen Grundlage das Land in bewegter Zeit vier Jahre lang einigermaßen verlässlich regiert werden kann. Grüne und FDP dürfen gern ihre Egos pflegen. Aber was eine Volkspartei sein will, darf sich am Ende seiner Verantwortung für das große Ganze nicht entziehen.

Aus jeder Pore atmet das Sondierungspapier das Bemühen der drei Volksparteien, ihrem Volk das verloren gegangene Vertrauen in den starken Schutzstaat zurückzugeben, ob in der Sozial-, der Sicherheits- oder der Ausländerpolitik. Es ist, wenn man so will, die 28-seitige Antwort der Berliner Republik auf das Erstarken der AfD. Die CSU hat sich bei der Begrenzung der Zuwanderung in einer Weise durchgesetzt, dass sich selbst ein Alexander Gauland verwundert die Augen reiben dürfte – auch über die Fähigkeit der Kanzlerin, ihre eigene Politik vom Kopf wieder auf die Füße zu stellen. Zentrale Aufnahmeeinrichtungen für Asylbewerber, Residenzpflicht und Aussetzung des Familiennachzugs sind die neuen Stichworte für die Migrationspolitik. Umgekehrt hat sich die SPD auf ihre Uraufgabe als Hüterin der sozialen Gerechtigkeit besonnen und der Union bedeutende Trophäen abgejagt, allen voran die Rückkehr zur paritätischen Krankenkassen-Finanzierung zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern, die Stabilisierung des Rentenniveaus bei 48 Prozent des Arbeitseinkommens und die Solidarrente für arme Rentner, die viele Jahre lang Beiträge gezahlt haben und bisher trotzdem auf Hartz-IV-Niveau abrutschten. Das sind wuchtige und kostentreibende Ausbaumaßnahmen am Sozialstaat, die Ökonomen und FDP scharf geißeln werden. Aber zumindest letztere hat ihr Recht verwirkt, nun herzzerreißende Klagelieder anzustimmen.

Jetzt ist die SPD-Basis am Zug. Sie muss sich gut überlegen, ob sie all diese Verbesserungen für ihre Wähler mit großer Geste zurückweisen will, nur um weiter trotzig ihre Prinzipien reiten zu dürfen. Eine Sorge sind die Genossen jedenfalls los: Sie dürfen sich gewiss sein, dass sie den Dienstvertrag der Kanzlerin nicht noch einmal verlängern, nur um anschließend von ihr wieder aufs Schafott geführt zu werden. Angela Merkels vierte Amtszeit, so sie denn kommt, wird ihre letzte sein. Ihre ganz persönliche Handschrift in einer dritten Auflage der GroKo, deren Richtlinien SPD und CSU bestimmen, wird darin zu lesen sein, welche Ministerämter sie ihren Nachfolgeaspiranten Jens Spahn und Annegret Kramp-Karrenbauer zuweist.

Georg Anastasiadis

Sie erreichen den Autor unter

Georg.Anastasiadis@ovb.net

Artikel 7 von 9