Nach dem monatelangen Zwangsaufenthalt im Wartesaal der EU-Reformdebatte meldet sich Berlin in Europa wieder zu Wort. Dass im Sondierungspapier von CDU, CSU und SPD das Thema Europa prominent und breit an die erste Stelle gerückt wurde, ist ein klares Signal an die Partner, dass Berlin verlorenen Boden wiedergutmachen und demnächst in den Arbeitsmodus schalten will. Noch ist Vieles vage formuliert, ein in sich geschlossenes Reformkonzept für die EU, wie es der französische Präsident Macron im Herbst in seiner Sorbonne-Rede vorgelegt hatte, fehlt. Aber das muss kein Nachteil sein, es hält die deutsche Position flexibel.
Ein zentrales Element ist der Umbau des ESM in einen europäischen Währungsfonds. Ein sensibles Thema. Der Fonds ist bisher eine zwischenstaatliche Institution und sollte seine Unabhängigkeit gegenüber der EU-Kommission unbedingt erhalten. Das ist mehr als eine Formalie: Hier werden budgetrechtliche Kompetenzen des Bundestages und damit verfassungsrechtliche Fragen tangiert. Dass die mögliche GroKo schon zu Anfang der Reformgespräche schriftlich ihre Bereitschaft zu höheren Überweisungen an Brüssel bekundet, werden die EU-Partner gerne hören. Ob das bei ihnen Nachahmereffekte auslöst, wird man sehen. In jedem Fall erhöht es den Zwang, dem deutschen Steuerzahler überzeugend zu erklären, wofür das Geld ausgegeben wird.
Alexander Weber
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