vermeintlicher Angriff auf Hawaii

Fehlalarm im Paradies

von Redaktion

Von Hansjürgen Mai

Honolulu – Studenten rennen panisch über den Campus der Universität von Hawaii. Touristen räumen den berühmten Sandstrand von Waikiki. Familien verbarrikadieren sich im Badezimmer, suchen Zuflucht in der Kanalisation. Für mehr als eine halbe Stunde herrschte am Samstagmorgen im US-Bundesstaat Hawaii der Ausnahmezustand.

Der Grund: Raketenalarm. Die Katastrophenschutzbehörde EMA des Bundesstaats hatte die Bevölkerung per SMS-Nachricht vor einer Rakete gewarnt, die im Anflug auf Hawaii sei. „Dies ist keine Übung“, hieß es in der Nachricht, die auch über Radio und Fernsehen verbreitet wurde. Die Bevölkerung solle unverzüglich Schutz suchen.

„Ich habe meinem Sohn sofort gesagt, dass er seine Schuhe anziehen und raus zur nächsten Tiefgarage soll.“ Das berichtet Denis Salle, Honorarkonsul für die Bundesrepublik Deutschland in Hawaii. „Mein Sohn hat sich noch eine lange Hose angezogen und gemütlich Socken ausgesucht. Ich fing an die Minuten zu zählen, da wir nur zehn bis 15 Minuten haben, um unter Tage zu kommen.“

Für Besucher der Pearl-Harbor-Gedenkstätte war die Falschmeldung ein besonders emotionaler Moment. Sie mussten in einem Vorführraum ausharren, in dem ein Film die Ereignisse des 7. Dezembers 1941 schildert. Damals wurde der US-Militärstützpunkt auf Hawaii von japanischen Kampfflugzeugen angegriffen – Auslöser für den Kriegseintritt der USA.

Die Katastrophenschützer korrigierten ihre eigene Nachricht 38 Minuten später – erneut via SMS und Rundfunk, kurz zuvor bereits via Twitter und Facebook. Beim Schichtwechsel habe jemand fälschlicherweise die Informationskette ausgelöst, die zu der Handy-Warnung geführt habe, hieß es zur Erklärung später.

In der Zeit zwischen dem Auslösen des Fehlalarms und der späteren Korrektur verzeichneten die Behörden in der Landeshauptstadt Honolulu mehr als 5000 Notrufe. Das erklärte Bürgermeister Kirk Caldwell auf einer Pressekonferenz. Insgesamt leben auf der Inselkette im Pazifik etwa 1,5 Millionen Menschen. Nach Schätzungen des deutschen Honorarkonsuls Salle sind darunter auch 3000 bis 4000 deutsche Staatsbürger. Genaue Zahlen gibt es aber nicht.

„Im Ernstfall wäre der größte Teil der Bevölkerung völlig ungeschützt gewesen“, sagt Salle. „Die Geschwindigkeit der Ereignisse ist so verheerend, dass eigentlich auch ein funktionierendes Warnsystem nur wenig ausrichten kann.“

Die Regierung von Hawaii schätzt das anders ein: Im Falle eines echten Angriffs aus Nordkorea blieben den Bürgern zwischen Alarmierung und Einschlag 12 bis 15 Minuten Zeit, sich in Sicherheit zu bringen. Das wurde im Oktober 2017 in einem Informationsschreiben vorgerechnet. Es werde damit gerechnet, dass 90 Prozent der Inselbewohner auf diese Art einen Angriff überleben könnten.

Die Furcht vor einem Raketeneinschlag begleitet die Menschen in Hawaii seit Monaten – verstärkt durch nordkoreanische Tests, aber auch durch die verbale Aufrüstung sowohl des nordkoreanischen Staatschefs Kim Jong Un wie des US-Präsidenten Donald Trump. Dieser hatte jüngst damit geprahlt, er habe einen „größeren Atomwaffenknopf“ als sein Widersacher.

Auf Twitter wurde Trump nach dem Fehlalarm angegriffen. Schauspieler Jim Carrey, der sich auch in Hawaii aufhielt, schrieb: „Wenn wir es diesem Ein-Mann-Gomorra und seinem korrupten republikanischen Kongress weiterhin erlauben, die Welt zu verprellen, dann bewegen wir uns in Richtung Leid, das über unser Vorstellungsvermögen geht.“ Andere Nutzer forderten, der zuständige Mitarbeiter beim Katastrophenschutz müsse entlassen werden.

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