Die SPD und die Große Koalition

Verzagt und führungslos

von Redaktion

Eine selbstbewusste Partei sieht anders aus: Während die CSU ihre Erfolge aus den fünftägigen GroKo-Sondierungen forsch nach vorne stellt und über Kompromisse galant das Mäntelchen des Schweigens deckt, steht die einst ruhmreiche SPD verzagt vor dem Ergebnis der letzten langen Verhandlungsnacht. In den sozialen Netzwerken sezieren Genossen Punkt für Punkt die 28 Seiten der Vereinbarung – und in der Parteispitze findet sich keiner, der ihnen im Brustton der Überzeugung entgegnet, was die Alternative zu einer Neuauflage dieser Koalition wäre: ein Neuwahl-Ergebnis, das noch schlechter ausfiele als das trostlose Resultat vom 24. September.

Das erste Wochenende nach den Sondierungen hat offen gezeigt, dass ein Ja beim Parteitag am Sonntag keineswegs sicher ist. Nicht nur von den üblichen Verdächtigen aus Parteilinken und Jusos kommt Kritik, auch Vertreter der Mitte formulieren Skepsis. Es stimmt ja auch: Von ihren Leuchtturmprojekten haben die Genossen kaum eines durchsetzen können. Martin Schulz’ „Vereinigte Staaten von Europa“ sind schon wieder Geschichte, von Bürgerversicherung ist keine Rede mehr, der Spitzensteuersatz bleibt gleich, Arbeitsverträge dürfen weiter befristet werden. Doch wer genauer hinsieht, wird beim zweiten Blick feststellen, dass dieses Papier dafür in anderen Punkten den Geist der SPD atmet – angefangen bei der Absicherung des Rentenniveaus auf 48 Prozent über Grundrente und Glyphosat bis zur Abschaffung des Solis nur für untere und mittlere Einkommen, was dann versteckt doch einen höheren Spitzensteuersatz bedeutet.

Doch statt diese Punkte selbstbewusst zu betonen, lässt es der überfordert wirkende Parteichef Schulz zu, dass der Kompromiss in den eigenen Reihen zerredet wird. Geht die Debatte weiter, wird die Partei als Verliererin dastehen – egal, wie sie sich entscheidet. Vielleicht bezweckt Alexander Dobrindt genau dies, wenn er dem Koalitionspartner in spe nun einen „Zwergenaufstand“ attestiert. Hilfreich für eine GroKo sind seine Zwischenrufe aber nicht.

Mike Schier

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