Frankreich

Macrons kleine Revolution

von Redaktion

Von Maximilian Heim

München – Im winterlichen Berlin gibt es noch immer keine Bundesregierung. Ganz anders ist das eine Staatsgrenze weiter. Seit acht Monaten wirbelt Frankreichs Präsident Emmanuel Macron durch das zweitgrößte EU-Land. Sein wichtigstes Projekt hat längst begonnen – die von seinen Vorgängern verschleppte Reform des Arbeitsmarkts.

Experten vergleichen die teils geplanten, teils bereits umgesetzten Maßnahmen mit der „Agenda 2010“ von Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder. Macron selbst spricht von einer „grundlegenden Transformation unseres Landes“. Klingt gewaltig. Aber worum geht es genau?

Das Problem

Seit Jahrzehnten gibt es vergleichsweise viele Arbeitslose in Frankreich. Im November 2017 lag die Quote laut der Statistikbehörde Eurostat bei 9,2 Prozent, es waren auch schon über 10 Prozent. Knapp 3,5 Millionen Franzosen sind ohne Job. Besonders betroffen sind junge Menschen. „Ich kenne viele Handwerksbetriebe, die niemanden einstellen“, sagt Frank Baasner, der das deutsch-französische Institut in Ludwigsburg leitet. „Weil sie die Leute nicht mehr loswerden, wenn es nicht mehr so gut läuft.“ Außerdem seien Neueinstellungen lange mit einem extremen Bürokratie-Aufwand verbunden gewesen.

Die Pläne

Bisher werden in Frankreich die Abfindungen für entlassene Mitarbeiter einzeln vor einem Schiedsgericht verhandelt. Das ändert sich nun, es gibt fortan einen Mindest- und einen Höchstbetrag für Abfindungen. Zudem können Unternehmen Mitarbeiter bei schlechter Auftragslage leichter entlassen.

Dazu kommt: Die Macht der in Frankreich traditionell starken und streikfreudigen Gewerkschaften wird beschnitten. Für deutsche Verhältnisse klingen die Pläne allerdings moderat. Ab sofort gibt es pro Arbeitgeber einen Betriebsrat statt mehrerer konkurrierender Vertretungen. Die eiserne 35-Stunden-Woche dürfte damit Geschichte sein. Ähnlich wie in Deutschland wird zudem der Druck auf Arbeitslose erhöht, einen Job zu finden – im Zweifel auch in einem anderen Ort.

Das ist, wenn man in diesen Kategorien denken möchte, der wirtschaftsfreundliche Teil des Reformpakets. Aber es gibt auch Zugeständnisse an die Arbeitnehmer. Selbstständige (in Frankreich gehören dazu auch viele Ärzte oder Krankenschwestern) sollen Zugang in die Arbeitslosenversicherung erhalten. Und generell gilt: Unternehmen sollen motiviert werden, neue Leute einzustellen, auch durch finanzielle Anreize. Der Mindestlohn von knapp 10 Euro pro Stunde bleibt unangetastet – was einen Niedriglohnsektor à la Deutschland vermeiden soll.

Die Regierung will auch die Ausbildung reformieren – und Jugendliche aus von sozialen Problemen geplagten Vororten erreichen. „In Frankreich wird derzeit ausgebildet, ohne auf die Bedürfnisse der Unternehmen zu achten“, sagt Baasner. „Außerdem ist die klassische Lehre – Friseur, Klempner, Dachdecker – bei vielen Franzosen immer noch verpönt.“

Die Reaktionen

Von links und rechts kommt Kritik an den Reformplänen. Allerdings hat es die politische Linke bisher nicht geschafft, eine große Streikfront aufzubauen. „Das liegt daran, dass Macron ausführlich mit den Gewerkschaften verhandelt hat“, sagt Baasner. „Da können die jetzt nicht sagen, sie seien nicht gefragt worden.“ Linken-Chef Jean-Luc Mélénchon soll sogar unlängst erklärt haben, diese Runde gehe an Macron.

Noch schwerer tut sich der rechte Front National, dessen Chefin Marine Le Pen im vergangenen Mai die Stichwahl gegen Macron verloren hat. Das liegt auch daran, dass Macron innenpolitisch einen harten Kurs gegen Menschen fährt, die sich illegal im Land aufhalten. „Er bietet dem ohnehin zerstrittenen Front National wenig Angriffsfläche“, sagt Baasner. Auch das einstige bürgerlich-konservative Lager wisse nicht recht, was es kritisieren solle.

Der Ausblick

„Im Moment zeigen alle Signale auf Grün“, sagt Frankreich-Experte Baasner. Auch weil die Wirtschaft schon seit einiger Zeit wachse – dank Maßnahmen, die Macrons ungeliebter Vorgänger François Hollande angestoßen hatte. Baasner glaubt: „Wenn in einem Jahr die Arbeitslosenzahlen signifikant gesunken sind, hat Macron gewonnen.“

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