Selten sind zwei Partner unterschiedlicher in eine Koalition gestolpert: Auf der einen Seite die SPD, die am liebsten auch im letzten Ortsverband jede Fußnote der Sondierungsergebnisse basisdemokratisch ausdiskutieren möchte. Auf der anderen die Union, in der Berufspolitiker einfache Parteimitglieder als „Polit-Pygmäen“ verspotten (Hans-Peter Friedrich) – und in der überhaupt keine Debatten über die Schwerpunkte der nächsten vier (oder inzwischen nur noch dreieinhalb) Jahre mehr geführt werden. Das eine ist so irritierend wie das andere.
Wer das Thema nicht mehr hören kann, dem sei die schlechte Nachricht überbracht: Es geht jetzt erst los. Sondierungen sind bekanntlich nur Gespräche darüber, ob sich beide Seiten eine Zusammenarbeit vorstellen können. Dabei werden Grundsätze festgelegt, die es in den Verhandlungen auszugestalten gilt. Nach dem Getöse beim Vorspiel sollte keiner glauben, dass der Hauptakt mit weniger Krach über die Bühne geht. Denn anders als die Union glauben machen will, kann in etlichen Bereichen sehr wohl noch nachgearbeitet werden. Vielleicht nicht beim Symbolthema Migration, aber durchaus in den Details der Sozial- und Arbeitsmarktpolitik.
Die Karten der SPD stehen gar nicht so schlecht. Denn weder Angela Merkel noch Horst Seehofer können sich leisten, die Koalition jetzt an der Frage befristeter Arbeitsverhältnisse scheitern zu lassen. Da mögen sie in CDU und CSU noch so sehr über den schwachen Martin Schulz feixen – eine neuerliche Pleite könnte auch die Arbeitsverträge der beiden Unions-Chefs stark verkürzen.
Mike Schier
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