Groko-Gespräche

„Verhandeln, bis es quietscht“

von Redaktion

von Michael Fischer und Christine Jacke

Berlin – Was ist nicht alles passiert, bevor diese Verhandlungen beginnen können: Vier Wochen Sondierungen über eine Jamaika-Koalition, von denen am Ende nur die Balkon-Fotos blieben. Eine 180-Grad-Wende von SPD-Chef Martin Schulz – von der Oppositionsrolle zum Koalitionswunsch. Und schließlich zwei Parteitage, auf denen sich die Sozialdemokraten in Verhandlungen über die bei vielen verhasste Große Koalition hineinquälten. Aber jetzt geht es tatsächlich los. Viele harte und lange Gesprächsrunden stehen bevor. „Wir werden verhandeln, bis es quietscht auf der anderen Seite“, hat SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles versprochen.

Manche in der SPD bezweifeln, dass es je ergebnisoffene Gespräche mit der Union gegeben hat. Schulz versichert aber, man habe alles ausgelotet: Minderheitsregierung, Koalition light, sogar eine Kenia-Koalition, bei der auch die Grünen dabei gewesen wären. Wie auch immer. Spätestens jetzt verhandeln Union und SPD nur noch mit einem Ziel: einen Koalitionsvertrag für die nächsten vier Jahre zustande zu bringen. Oder vielleicht auch nur für zwei. Denn es steht schon fest, dass – auf Drängen der SPD – nach zwei Jahren überprüft werden soll, ob die Große Koalition genug zustande gebracht hat und ob das Bündnis noch funktionstüchtig ist.

Die Unterhändler können auf einem 28-seitigen Sondierungspapier aufbauen, das Union und SPD innerhalb von fünf Tagen zustande gebracht haben. Darin sind einige Politikfelder schon ziemlich ausführlich abgedeckt. Europa, Soziales und Steuern etwa. Die Union will eigentlich nur noch Details klären und spricht von „ausverhandeln“. Die SPD stellt sich das anders vor. Der Parteitag hat die Führung damit beauftragt, weitere Forderungen durchzusetzen. Bei der sachgrundlosen Befristung von Arbeitsverträgen muss aus Sicht der Sozialdemokraten etwas passieren. An die „Zwei-Klassen-Medizin“ für gesetzlich und privat Versicherte will die SPD ebenfalls ran, auch wenn sie inzwischen eingesehen hat, dass sie eine richtige Bürgerversicherung nicht durchsetzen kann. Und dann ist da noch der Familiennachzug, bei dem sich die Genossen noch mal mit der CSU anlegen wollen.

Die Vorsitzenden von CDU, CSU und SPD, Angela Merkel, Horst Seehofer und Martin Schulz, berieten am Montagabend gut eineinhalb Stunden das Vorgehen. Es sei ein konstruktives Gespräch gewesen. Man wolle nun zügig mit den Verhandlungen beginnen, hieß es in Parteikreisen. Doch die Vorstellungen über den Zeitplan gehen auseinander. Die Union hat es sehr eilig. CSU-Chef Horst Seehofer meint, einen Abschluss der Verhandlungen könne und müsse man bis zur ersten Februarwoche schaffen. Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) verkündete seine Hoffnung, „dass wir (…) Ende Februar/Anfang März so weit sind, die Regierung bilden zu können“. Die Genossen sehen das etwas anders. Nach dem nur knappen Ja des SPD-Parteitags zu Koalitionsverhandlungen müssen sie sich erst mal sammeln.

Die Gruppe der Unterhändler von CDU und CSU will sich heute wieder treffen. Die SPD kommt erst am Donnerstag zu parteiinternen Beratungen zusammen, hieß es am Montagabend.

Vermutlich gehen die richtigen Verhandlungen erst danach los. Vielleicht am Ende dieser Woche oder erst Anfang nächster Woche. Einige Genossen halten es auch für ausgeschlossen, nach zwei Wochen Verhandlungen fertig zu sein. Am Ende will die SPD auch noch die Mitglieder über die Ergebnisse abstimmen lassen. Das dauert noch mal drei Wochen. In der SPD rechnen viele daher erst mit einer Regierungsbildung bis Ende März – im besten Fall.

Es kann noch alles schiefgehen. Beim Mitgliederentscheid etwa. Die GroKo-Gegner in der SPD machen weiter mit ihrer Kampagne. Die Mehrheit beim Parteitag war derart knapp, dass die Mitgliederbefragung unberechenbarer ist denn je. Schulz könnte das miese Parteitagsergebnis zwar bei den Verhandlungen als Druckmittel nutzen – mit der Botschaft an die Union: Ihr müsst uns inhaltlich mehr geben, sonst überstehen wir den Mitgliederentscheid nicht. Aber Unionsleute machen schon jetzt klar, dass sie auf solche Spielchen wenig Lust haben.

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