Cottbus – Die geballte Wut zwischen Einheimischen und Ausländern entlädt sich an den schönen Ecken von Cottbus. Nicht in den Teilen, wo sich Plattenbau an Plattenbau reiht, wo sich einem ein trister Eindruck von Brandenburgs zweitgrößter Stadt aufdrängen mag. Es sind Plätze mitten in der Innenstadt, seit der Wende mit Millionenförderung hübsch hergerichtet. Wo es Touristen hinzieht und es schicke Wohnungen gibt. Wo es zum Shoppen geht und Cafés liegen.
Attacken von Deutschen auf Asylbewerbern und umgekehrt – immer und immer wieder. Seit Monaten schon, aber im Januar in konzentrierter Form. Die Stimmung in der gut 100 000-Einwohner-Stadt: aufgeladen. Es gab Rangeleien, Messer wurden gezogen, Reizgas versprüht. „Ausländer raus“-Rufe schallten durch die Straßen. Es gelang einigen Deutschen sogar, in eine Asylunterkunft einzudringen und dort auf die Bewohner loszugehen. Tage später dann ein Angriff von drei jugendlichen Migranten auf ein Ehepaar vor einem Einkaufszentrum.
Das brandenburgische Innenministerium zieht Konsequenzen: Nach Cottbus sollen zunächst keine Asylbewerber mehr aus der Zentralen Erstaufnahmeeinrichtung verteilt werden. Zudem habe Cottbus seine Aufnahmequote mehr als erfüllt, erklärte Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD). Außerdem sollen 30 bis 40 zusätzliche Sozialarbeiter tätig werden. Ende 2013 lebten laut Stadtverwaltung gut 2300 Ausländer hier, Ende 2017 seien es 8477 gewesen. Der Anteil der Menschen mit Fluchtbiografie liege bei 50 Prozent.
Am Wochenende versammelten sich rechtsgerichtete Demonstranten an dem besagten Einkaufszentrum, die Veranstalter sprachen online von 2500 Personen. Journalisten wurden angegriffen. In der Nähe des Schauplatzes betreibt Herr Hamcho ein Lebensmittelgeschäft mit ausländischen Produkten. Der Syrer bedauert, dass jugendliche Flüchtlinge Deutsche angegriffen hätten. „Es tut mir sehr, sehr leid“, sagt er. Über die Stimmung sagt er, dass viele ausländische Familien Angst hätten. Er fahre seine Familie nur noch mit dem Auto durch die Stadt – zur Sicherheit. Die Polizei erhöhte zwar ihre Präsenz, Hamcho ist aber skeptisch: „Die Polizei ist nicht jede Minute neben uns.“ Ein anderer Cottbuser, Deutscher, ist optimistischer. Die Polizei werde helfen, dass sich alles wieder beruhige.
Immer wieder hört man die Befürchtung, dass Cottbus ein zweites Pegida-Dresden werden könnte. Der Dresdner Politologe Werner Patzelt sagt dazu: „Es gibt Parallelen, aber es gibt auch Unterschiede.“ Das, was in Dresden noch Sorge vor der Zukunft gewesen sei, entzünde sich in Cottbus an inzwischen gegenwärtigen Problemen.
Warum spielen sich diese Szenen ausgerechnet in Cottbus ab, wo die AfD bei der Bundestagswahl bei den Zweitstimmen stärkste Kraft mit gut 24 Prozent wurde? „Ich glaube, das ist hochgradig zufällig“, sagt Patzelt. In einer eher friedlichen Stadt ereigneten sich gewalttätige Szenen, eine rechte Szene nutze die Vorkommnisse politisch aus. Und: Es handle sich um eine Gegend, die solche Geschehnisse nicht als Alltagsnormalität kenne. Folglich werde die Sache spektakulär und gewinne an Dynamik.
Brandenburgs CDU-Landeschef Ingo Senftleben ist besorgt. Er befürchtet, dass sich in Cottbus und der Lausitz ein politischer „Flächenbrand“ entzünden könnte – ausgelöst von der AfD, hatte Senftleben kürzlich dem Sender „rbb“ gesagt. Die AfD versuche zusammen mit Initiativen wie „Zukunft Heimat“, die die Demonstration am Wochenende initiiert hatte, das Bild nach außen zu vermitteln, die Bewegung gegen Ausländer werde immer größer. Anna Ringle