Andrea Nahles

Die Mutti der Genossen

von Redaktion

Jetzt hat also auch die SPD eine „Mutti“. Andrea Nahles heißt sie, und keiner sollte sie unterschätzen: Ihr Wille zur Macht übersteigt ihre Sangeskünste beträchtlich. Wenn eine den traurigen Haufen SPD wieder aufrichten kann, dann sie mit ihrer ansteckenden rheinischen Fröhlichkeit, hinter der sich ein unbeugsamer Führungsanspruch verbirgt.

Den hat am Sonntag schon mal der zum roten Revolutionsführer hochgeschriebene Juso-Chef Kevin Kühnert zu spüren bekommen. Seine hohlen Phrasen entlarvte die Fraktionschefin auf dem Parteitag mit mitleidsloser Härte, als sie ihn – vergeblich – aufforderte, seinen Plan für die Zukunft der Partei zu offenbaren. Da wurde den Delegierten schnell klar, dass der Apparatschik Kühnert kein moderner Karl Liebknecht ist. Auch seine Taktik, die Mehrheitsverhältnisse an der SPD-Basis zu drehen, indem er viele GroKo-Gegner für eine Blitzmitgliedschaft in die Partei schleust, wird kaum verfangen. Denn wer zu solchen Tricks greift, um die altehrwürdige Arbeiterpartei zu manipulieren, muss die Maske des aufrechten Kämpfers ablegen, mit der er bisher durch die Talkshows tingelte. Was bleibt, sind dann nur noch die roten Zwergenkappen, die sich die Jusos auf dem Parteitag aufsetzten: das war witzig, mehr aber auch nicht.

Die 47-Jährige wird den Zwergenaufstand in ihrer Partei beenden und die Genossen in die dritte GroKo führen. Anders als der heulsusige Ex-Bürgermeister aus Würselen, der vom kleinen Mann immer nur schwadronierte und mit dem Herzen sein Brüsseler Wolkenkuckucksheim nie verließ, weiß die frühere Arbeitsministerin, wo die einfachen Leute der Schuh drückt. Und sie erkennt den fundamentalen Zusammenhang, dass man nicht die Grenzen dauerhaft öffnen kann, ohne dass viele der neu Hinzugekommenen in Konkurrenz treten zu den sozial Schwachen, die schon da waren. Solange sich die SPD in ihrer Breite dieser Logik verschließt, wird sie sich dem Aufstieg der AfD zur neuen Partei der kleinen Leute nicht entgegenstellen können. Genau diesen Kampf muss die SPD aber führen. Wenn sie ihn gewinnt, erwächst Merkels Union wieder ein Gegner – und der Republik eine politische Alternative.

Georg Anastasiadis

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