Davos – Wie hat Donald Trump über die elitären Zirkel geschimpft, die sich alljährlich in Davos zum Weltwirtschaftsforum treffen. Alles Jünger der Globalisierung, die sich auf Kosten des amerikanischen Arbeiters die Taschen füllten, wetterte er von Wahlkampfbühnen herab. Nach zwei Tagen im idyllisch verschneiten Alpenparadies ist er aber scheinbar ganz zahm geworden – und die bösen Globalisierer klatschen dem Wirtschaftsnationalisten aus Washington sogar höflich Beifall.
Auch wenn der Beifall für den US-Präsidenten gemessen an den Ovationen für den französischen Präsidenten Emmanuel Macron eher verhalten ausfiel und der eine oder andere schon aus Davos abgereist war, als Trump die Bühne betrat: Er bekam sie, die Zustimmung.
„Ihre Steuerreform reduziert die Steuerlast erheblich und bedeutet einen großen Anschub für die Weltwirtschaft“, sagte Klaus Schwab, Gründer des Weltwirtschaftsforums. Der US-Präsident könne sich gar nicht vorstellen, wie sehr sich alle auf seine Rede freuten. Anders als alle anderen Staats- und Regierungschefs bekam Trump sogar seinen eigenen Spielmannszug: Die Landwehr aus Freiburg blies ihm auf der Bühne den „Coburger Marsch“.
Die Rede selbst verlief weitgehend unfallfrei, vor allem aber unspektakulär. Ein bisschen Medienschelte, das musste sein, schließlich könnte ja auch die Wählerbasis in der Heimat zuhören. Dann: „Wir können keinen fairen und freien Handel betreiben, wenn es Länder gibt, die die Regeln brechen, auf Kosten anderer.“ Handel müsse stets fair und gleichberechtigt sein. Und: „America First“ bedeute selbstverständlich nicht „America alone“, also allein.
Ansonsten war wenig zu hören von Trumps Angriffslust, die er noch kurz vor der Abreise nach Davos mit der Ankündigung von Strafzöllen demonstriert hatte und die in der deutschen Industrie Empörung ausgelöst hatte. Sogar eine Rückkehr zum Freihandel stellte Trump vage in Aussicht. „Wir haben Vereinbarungen mit einigen und wir ziehen das mit dem Rest auch in Erwägung, entweder individuell oder vielleicht als Gruppe, wenn es im Interesse aller ist“, sagte er mit Blick auf das pazifische Freihandelsabkommen TPP, das elf Länder nun ohne die USA unterzeichnen wollen.
Dann gab es nur einen kurzer Schlenker zu außenpolitischen Konfliktthemen wie Nordkorea, kein Wort zu Europa, das in Davos als politisch-ökonomische Kraft mit neuem Selbstvertrauen gerade eine Art Auferstehung gefeiert hatte. Gemessen am Erkenntnisgewinn war der gut 15-minütige Auftritt enttäuschend, gemessen an der vorher geschürten Erwartungshaltung allemal. Trump bot Erwartbares. „Er lobt sich gern selbst, also wird er über steigende Aktienkurse reden, über die Steuerreform, über Wirtschaftswachstum“, hatte ein ranghoher US-Politiker vorausgesagt.
Dabei war die Atmosphäre gespannt im prall gefüllten Saal, als Trump kurz vor 14 Uhr die Bühne betrat. 1100 Menschen, darunter Vertreter der Wirtschafts- und Finanzelite, saßen eng zusammen, beim Einlass kam es zu dichtem Gedränge. Einige mussten draußen bleiben.
Dass es kein normaler Auftritt sein würde, merkte schon bald auch der 79-jährige Schwab, der mit seiner Organisation zum Ziel hat, „den Zustand der Welt zu verbessern“, schon bald. Als er Trumps „starke Führung“ verteidigte, die anfällig sei für Missverständnisse und Vorurteile, kam hörbar Unmut auf im Saal. Die Show auf der Bühne lief nicht ganz parallel zu dem, was ein guter Teil der Forumsteilnehmer empfand.
Das Beispiel Siemens zeigt, wie heikel die Nähe zu Trump auch für die Konzernchefs werden kann. Joe Kaeser, bei einem Abendessen am Donnerstagabend Trumps Tischnachbar in Davos, kündigte dank der immensen Steuererleichterungen Investitionen in ein Gasturbinen-Werk in North Carolina an. Es dauerte nicht lang, bis ihm in Deutschland die Gewerkschaft auf den Füßen stand und nachfragte, wie das denn mit Arbeitsplätzen in Deutschland sei. Ja, die von Trump mitverantwortete Steuerreform mit einer drastischen Senkung der Unternehmenssteuern spült viel Geld in die Kassen von Konzernen. Siemens etwa macht ein Viertel seines Umsatzes in den USA. Doch die zunehmende Abschottung beim Handel, die Haltung der Amerikaner zu Strafzöllen und der Ton, in dem das oft vorgetragen wird, stimmten viele nachdenklich.
Wirtschaftsexperten befürchten Schäden, weil Trump den internationalen Dialog störe. Selbst Schwab, der so freundlich war, schrieb diesem ins Stammbuch: „Starke, souveräne Nationen koexistieren nicht nur, sie arbeiten Seite an Seite zusammen.“