samstagsKolumne

Zeus: Die Entschuldigung vom Olymp

von Redaktion

Göttervater Zeus regiert schon lange nicht mehr die Welt. Aber unsterblich wie er ist, verfolgt er, was bei uns passiert. Die Übergriffe mächtiger Filmemacher und Regisseure von Weinstein bis Dieter Wedel, ja die ganze MeToo-Bewegung hat ihn, den allmächtigen Bezwinger so vieler schöner Frauen, nachdenklich gemacht.

Sein Anwalt rät, all seine sexuellen Übergriffe abzuleugnen. Niemals ist er den von ihm begehrten Damen in einem Hotelzimmer mit offenem Bademantel zu einer dienstlichen „Besprechung“ erschienen. Und wenn er die schöne Leda als flügelschlagender Schwan bezwang, oder die Europa von ihrem heimatlichen Strand als prächtiger Stier mit wunderbaren Hörnern entführt hat, solle er einfach sagen, ich bin weder Schwan noch Stier und kann es daher nicht gewesen sein.

Und als er in Theben die Alkmene in der Gestalt ihres eigenen Ehemannes ins Bett zog und in einer wundervollen Liebesnacht mit ihr den Helden Herkules zeugte, dann war es eben einvernehmlicher Sex. Es wurde ja keinerlei Druck ausgeübt, eine kleine Täuschung genügte. Und mit Ganymed, sagt der Anwalt, die Affäre mit dem hübschen Jungen, den Zeus zu seiner Lust durch einen Adler zu sich in den Himmel holen ließ, das sei erledigt. Schweigegeld wurde gezahlt, unter Männern hat man sich geeinigt. Da gibt es keine üble Nachrede.

Athena aber, die Zeus-Tochter, die nie etwas mit Sex zu tun hatte, zwingt nun ihren Vater, sich vor allen Himmlischen zu entschuldigen für seine ewigen Übergriffe. Sowohl bei den Frauen, die das schon lange öffentlich gemacht haben, aber auch bei den hundert anderen, die es durch die ganze Geschichte der Mythologie hindurch vorgezogen haben, anonym zu bleiben. Sie alle, sagt er, haben heute seine größte Achtung und Anerkennung. Zeus entschuldigt sich auch bei seiner Ehefrau Hera, die ihn ja immer als notorischen Fremdgeher in Verdacht hatte und die er doch immer wieder belogen hat.

In der versammelten Götterrunde fällt der strenge Blick von Athena auch auf Apoll. Der bekommt einen roten Kopf, wie er sich nun entschuldigt bei der Nymphe Daphne. Auf der Flucht vor seiner Liebesverfolgung konnte sie sich nur knapp retten durch die Verwandlung in einen Lorbeerbaum.

Daneben sitzt Aphrodite, die Göttin der Liebe selber. Auf dem Weidegrund im Ida-Gebirge verliebte sie sich auf Anhieb in den dort schlafenden trojanischen Prinzen Anchises, den Vater des Aeneas. Sie küsste den Schlafenden und verführte ihn, ohne viel zu fragen. War es einvernehmlich? Der Schlafende konnte/wollte nicht rechtzeitig Nein sagen. Aphrodite mag sich auch jetzt noch nicht entschuldigen, was Athena mit strengem Blick rügt.

Zeus aber hat sein Gewissen erleichtert. Er hat nun gar kein Verständnis mehr für die Weinsteins und Wedels und alle anderen mächtigen Männer, die immer noch hartnäckig ableugnen, obwohl die Vorwürfe, die ihnen von vielen Frauen gemacht werden, doch immer schwerer wiegen.

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