Rom – Zwei Stunden Training im Schwimmbad und im Fitnessstudio – und zwar täglich. So soll Silvio Berlusconi wieder fit werden, sagt sein Arzt und schickt damit auch eine Botschaft in die Welt: Keine Sorge, heißt sie, dem „Cavaliere“ geht es wieder gut.
In dieser Woche musste Italiens Ex-Ministerpräsident einige Interviewtermine absagen und eine Pause einlegen. Von Ermüdungserscheinungen war die Rede, was nicht nur in seiner Partei die Frage aufwirft, ob der 81-Jährige den stressigen Wahlkampf überhaupt durchhalten kann.
An der Antwort hängt einiges. Denn der Multimillionär, der vier skandalumwitterte Amtszeiten hinter sich hat, hat wieder Oberwasser. Die Allianz seiner konservativen Forza Italia mit der ausländerfeindlichen Lega-Partei und den rechtspopulistischen Fratelli d’Italia liegt in Umfragen mit 37 Prozent vorne. Sollte das Bündnis bei den Wahlen am 4. März eine Mehrheit bekommen, wäre Berlusconis Rehabilitation perfekt – auch wenn er selbst als verurteilter Steuerhinterzieher nicht kandidieren darf.
Dass Berlusconis Gesundheitszustand nicht der beste ist, ist kein Geheimnis. Im Sommer 2016 hatte er eine Herz-OP, es folgten regelmäßige Krankenhaus-Besuche. Öffentlich tritt der Mailänder Medien-Unternehmer fast gar nicht auf. Den Wahlkampf führt er in seinen (hauseigenen) Sendern, wo ihn keine kritischen Fragen erwarten, und in sozialen Netzwerken.
Auch wenn die Presse über ein „Geheimnis um Berlusconis Schwächeanfall“ zu berichten weiß: Er selbst versichert, es gehe ihm blendend. Er habe sich nur ein wenig bei der Zusammenstellung der Wahllisten überanstrengt. „Es tut mir leid, unsere Konkurrenten zu enttäuschen, aber mir geht es wirklich gut und ich habe lediglich zwei Tage pausiert“, so seine Botschaft. Der „Corriere della Sera“ schrieb: „Opa geht es gut“.
Berlusconi hat das Vakuum geschickt genutzt, das sich nach dem Sturz des sozialdemokratischen Regierungschefs Matteo Renzi im vergangenen Jahr auftat: Italien fehlt eine Führungsperson, die die Menschen aus ihrer Politikverdrossenheit herausholen könnte. Der Spitzenkandidat der populistischen Fünf-Sterne-Bewegung, Luigi Di Maio: zu brav, zu uncharismatisch. Renzi: Gilt nach seinem kometenhaften Aufstieg als einer der unbeliebtesten Politiker des Landes. Lega-Chef Matteo Salvini wirft mit fremdenfeindlichen Parolen um sich. Frauen fehlen im Wahlkampf derweil ganz.
Berlusconi hat es geschafft, sich als „Elder Statesman“ zu verkaufen. Gerne brüstet er sich damit, dass er auch international wieder hoch angesehen sei. Das Rätsel bleibt: Wenn die Silvio-Allianz wirklich gewinnen würde, wer würde dann den Regierungschef machen? Berlusconi hat den Präsidenten des Europa-Parlaments, Antonio Tajani, auserkoren. Doch das könnte nur ein Schachzug sein, um sich einen europafreundlichen Anstrich zu geben. Tajani würde der europafeindlichen Lega nur schwer passen.
Viele in Brüssel gruselt die Vorstellung eines wieder erstarkten Berlusconi. Der SPD-Europaabgeordnete Jens Geier sagt, Berlusconi dürfe nicht italiens Kaczynski werden, „der aus dem Hinterzimmer über Mittelsleute rechtspopulistische Politik ohne offizielles Amt betreibt“. Auch viele Auslands-Italiener schauen mit Sorge auf ihre Heimat. Dass einer wie Berlusconi, der das Land dem Bankrott nahe brachte, immer noch die Strippen ziehe, sei „eine Schande“, sagt Schriftstellerin Lisa Mazzi, die in Deutschland lebt.
Daran, dass Berlusconi weiter großen Einfluss ausübt, besteht kein Zweifel. Sein jüngstes Schwächeln könnte ihm in diesem Wahlkampf sogar nützen. Der 81-Jährige könne damit Mitgefühl für eine „leidende“ Person im fortgeschrittenen Alter erzeugen, sagte Antonio Noto, Direktor eines Umfrageinstituts, der Zeitung „La Repubblica“. Der Cavaliere erscheine plötzlich als einer, der sich wieder aufopfert.