Es hat schon fast tragische Züge. Während Theresa May politisch daheim immer stärker unter Druck gerät und alle Wirtschaftsindikatoren dem Land nach dem Brexit fast täglich düstere Prognosen bescheren, reist die britische Premierministerin durch China und beschwört eine „goldene Ära und die globale strategische Partnerschaft“. Weil sich ihr Land von Europa abwendet, muss es sich zum wirtschaftlichen Überleben neue Freunde suchen.
Und May braucht dringend Erfolge, denn in der Heimat, vor allem in der eigenen Partei, scheint der Rückhalt für die Premierministerin dramatisch zu schwinden. Noch immer tobt ein Machtkampf bei den Torys – zwischen den Hardlinern um Außenminister Boris Johnson (der sich derzeit relativ ruhig hält) und den moderaten wie Finanzminister Philipp Hammond, die eigentlich gar keinen Austritt wollten. Das Misstrauen gegenüber May wächst von beiden Seiten. Ein fatalistisches Regierungspapier zur Zukunft des Landes nach dem Brexit landete in dieser Woche prompt in der Presse. Kein freundlicher Akt.
Vor diesem Hintergrund wirkte Mays China-Reise fast wie eine Flucht. Und dennoch kann man sich schwer vorstellen, dass ein anderer Tory-Politiker aktuell mit ihr tauschen will. Ihre Gegner werden May die trübe Brexit-Suppe selbst auslöffeln lassen – und sie erst dann stürzen.
Mike Schier
Sie erreichen den Autor unter
Mike.Schier@ovb.net