Cottbus – Es sollte eine Art Befreiungsschlag werden. Das brandenburgische Cottbus – seit Wochen wegen einer Ballung von Übergriffen zwischen Deutschen und Flüchtlingen in den Schlagzeilen – geht für ein Leben ohne Angst und Weltoffenheit auf die Straße. Doch nur Stunden später bietet sich an diesem Samstag ein gegensätzliches Bild. Einen Steinwurf entfernt gibt es eine andere Demonstration – gegen Zuwanderung. Sie zieht weitaus mehr Teilnehmer an. Die Kontraste könnten an diesem Tag nicht deutlicher sein.
Die Stimmung dort? Groll und angestaute Wut tragen viele der Rentner, Ehepaare, jungen Männer und Frauen offen vor sich her. Viele schimpfen über Flüchtlinge. Dicht gedrängt auf dem Oberkirchplatz steht die Menge zusammen. Teilnehmer kommen nicht nur aus Cottbus, sondern auch aus anderen Regionen Brandenburgs und aus Sachsen. Auch AfD-Anhänger sind zu sehen. Unter die Demonstranten an der Oberkirche mischen sich laut Polizei vereinzelt auch Rechtsextreme. Während Beobachter von mindestens 2000 Teilnehmern ausgehen, spricht der Veranstalter gar von mindestens 5000. Die Polizei nennt keine Zahl.
Die Teilnehmer verurteilen die Angriffe von Flüchtlingen auf Deutsche scharf und skandieren immer wieder „Widerstand“ gegen die Ausländerpolitik der Bundesregierung. Auf Transparenten ist unter anderem zu lesen „Die Islamisierung ist wie ein Krebsgeschwür und ist die größte Gefahr für die Menschheit“, „Wir rufen Islam raus“ und „Merkel muss weg“. Das Ganze erinnert an Bilder der rechten Pegida-Demos in Dresden. Nachdem der Tross durch die Innenstadt gezogen ist, steigt bei der Kundgebung dann sogar Pegida-Chef Lutz Bachmann auf einen Wagen und spricht zur Menge. Die feiert ihn.
Stunden früher: Die andere Cottbuser Demo hofft auf friedliches Miteinander. Auf den Altmarkt als Herzstück der Stadt zieht es gleich zu Beginn geschätzt mehr als 600 Menschen. Im Verlauf werden es nach Schätzungen von Beobachtern einige hundert mehr, darunter Familien, Flüchtlinge, Rentner, Studenten und Schüler. Ein Flüchtling hat die Demonstration angemeldet. Immer wieder ist zu hören: Cottbus ist keine fremdenfeindliche Stadt. „Das hat Cottbus nicht verdient“, sagt ein Mann. Man wolle friedlich zusammenleben und ein Zeichen setzen, betonen viele. Ein Flüchtling verteilt Rosen, bunte Luftballons sind zu sehen. Die Stimmung ist sehr friedlich, offen. Der Fußballverein zeigt am Samstag bei der Pro-Flüchtlings-Demo Gesicht. Auch andere wichtige Institutionen sind mit Vertretern präsent, einige brandenburgische Politiker sind gekommen. Der Cottbuser Oberbürgermeister Holger Kelch (CDU) ist nicht dabei. Nach Angaben der Stadtverwaltung ist er wegen schon länger geplanter Termine verhindert. Kritik ruft diese Lücke dennoch hervor.
Die Polizei achtet darauf, dass die Gruppen nicht aufeinandertreffen. Größere Polizeifahrzeuge werden als Sperre quer auf die Straße zwischen Altmarkt und Oberkirchplatz gestellt. Nach Aussagen der Beamten verläuft der Versammlungstag insgesamt störungsfrei.Anna Ringle