Im Wahlkampf

Schüsse auf Afrikaner erschüttern Italien

von Redaktion

von Julius Müller-Meiningen

Rom – Es war ein gewöhnlicher Wintervormittag in Macerata. Die Straßen gut gefüllt zur Einkaufszeit am Samstagvormittag. Als plötzlich Schüsse zu hören waren, machte sich Panik breit. Ein junger Mann, so lauteten die ersten Gerüchte, schoss wahllos auf Passanten. Doch wahllos ging Luca T. nicht vor, als er im Zentrum des Städtchens in der italienischen Region Marken aus seinem fahrenden Auto insgesamt knapp 30 Schüsse aus seiner Pistole abgab. Sechs Menschen wurden getroffen, fünf Männer und eine Frau. Alle Opfer waren dunkelhäutige Afrikaner, aus Ghana, Mali und Nigeria. Einer der Männer wurde am Brustkorb schwer verletzt.

Wenig später überwältigten Polizisten den 28 Jahre alten Täter. Als Luca T. festgenommen wurde, hatte er eine italienische Fahne umgehängt, zeigte den römischen Gruß und rief Parolen wie: „Italien den Italienern!“ Ermittler durchsuchten die Wohnung von Luca T., der mit seiner Mutter und seiner Großmutter in der Nähe von Macerata wohnte und fanden eine Ausgabe von Hitlers „Mein Kampf“ und Fahnen mit Nazisymbolen. Bereits am Samstag hatte der italienische Innenminister Marco Minniti von einem „rechtsextremistischen Hintergrund mit klaren Bezügen zum Faschismus und Nazismus“ gesprochen und war nach Macerata gereist. „Die einzige Verbindung zwischen den Opfern ist ihre Hautfarbe“, sagte Minniti. Der Täter gab auch auf das Büro der linksgerichteten Demokratischen Partei in Macerata Schüsse ab.

Italien blickt in diesen Tagen nach Macerata, etwa 200 Kilometer nordöstlich von Rom. Am 4. März sind Parlamentswahlen, das Thema Migration ist eines der bestimmenden im Wahlkampf. „Nein zu einer Eskalation von Hass und Gewalt“, teilte Premierminister Paolo Gentiloni mit. Eine Mitte-rechts-Koalition, an der nicht nur Silvio Berlusconis Forza Italia, sondern auch die fremdenfeindliche Lega Nord und die postfaschistische Kleinpartei Fratelli d’Italia beteiligt sind, liegt laut Umfragen vorne. Der Fall Macerata lenkt nun auf drastische Weise die Aufmerksamkeit auf das vielleicht umstrittenste Wahlkampfthema. Während die meisten Parteien die Tat klar verurteilten, nahmen Politiker der Rechts-Koalition sie zum Anlass für Kritik an der Einwanderungspolitik der Regierung. „Unkontrollierte Einwanderung führt zu Chaos, Wut und sozialen Spannungen. Unkontrollierte Einwanderung führt zu Drogenhandel, Diebstählen, Raubüberfällen und Gewalt“, schrieb der Chef der Lega Nord, Matteo Salvini, auf Twitter.

Luca T., der bei Kommunalwahlen im vergangenen Jahr erfolglos für Salvinis Lega Nord kandidiert hatte und sich zuletzt in psychologischer Behandlung befand, erklärte den Ermittlern nach seiner Festnahme, seine Tat sei die Reaktion auf den Mord an einer 18-Jährigen in Macerata gewesen. Der Körper des Mädchens war am Mittwoch bei Macerata zerstückelt und in zwei Koffern aufgefunden worden. Am Samstag nahm die Polizei einen 29 Jahre alten Nigerianer mit abgelaufener Aufenthaltserlaubnis fest. In dessen Wohnung in Macerata hatte die Polizei Kleidungsstücke des Opfers und ein blutverschmiertes Messer gefunden. Wie es heißt, sei der mutmaßliche Täter als Drogenhändler aktiv gewesen.

Luca T., so erzählte er laut Medien in seiner Vernehmung, habe am Samstagmorgen von der Festnahme des Nigerianers im Radio gehört, als er auf dem Weg ins Fitnessstudio war. Nun sitzt er in Untersuchungshaft – in derselben Anstalt wie der mutmaßliche Mörder der 18-Jährigen.

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