Es mag wie ein bizarrer Scherz klingen. GroKo-Unterhändler zanken sich auf den letzten Metern zornig darüber, ob die CSU noch „Obergrenze“ zu dem vagen Satzgeschwülst sagen darf, das künftig die Regierungslinie zur Migrationspolitik festlegen soll. Leider ist es kein Spaß – sondern ein Tiefpunkt der Verhandlungen um eine neue Regierung. Der Streit um kantige Begriffe für breiige Kompromisse belegt einmal mehr, dass sich da nicht Gestaltungswillige in Aufbruchstimmung versammelt haben, sondern zumeist vom Wähler Geschlagene. Sie eint nur das Ziel, sich in irgendeine Art Regierung zu retten. Hier herrschen Wortklauberei statt Visionen. Dieser Eindruck wird durch die albernen Rituale der Nachtverhandlungen und Vertagungen noch verstärkt.
Eigentlich hat diese „Große“ Koalition – in Umfragen aktuell mit Mühe bei 50 Prozent – schon vor einigen Tagen den Punkt überschritten, wo man ihr ein genervtes „Dann lasst es halt sein“ zurufen wollte. So wie Ende 2017 bei Jamaika, als der anfängliche Reiz des Neuen allmählich in den Spiegelstrichen zentimeterdicker Dissenspapiere abgewürgt wurde. Leicht kommt das diesmal aber nicht über die Lippen, weil die Konsequenzen hart wären: Staatspolitisch ist es ein hehres Ziel, sofortige Neuwahlen – also das Eingeständnis totalen Scheiterns – zu verhindern. Parteipolitisch wär’s auch doof, die CDU würde ja glatt noch mal mit Merkel antreten.
Das Beste wäre, würden sich Union und SPD nur zu einem Bündnis auf Zeit zusammenfinden: auf anderthalb bis zwei Jahre angelegt, mangels eigener Visionen mit dem Mindestanspruch, sauber und präzise zu regieren (wie es wenige Fach-Arbeitsgruppen der Unterhändler bisher zeigen). Ziel: Eine geordnete Neuwahl in der zweiten Hälfte 2019, dann mit erneuertem Personal. Das hätte man kokett auch „Obergrenze“ nennen dürfen.
Christian Deutschländer
Sie erreichen den Autor unter
Christian.Deutschlaender@ovb.net