Verhandlungserfolg der SPD

Dicker Schönheitsfehler

von Redaktion

Ohne Frage, man kann der SPD gratulieren. Die Partei, die vor einigen Monaten mit ihrem kümmerlichen Ergebnis von 20,5 Prozent Mitleid auslöste, sichert sich nun ihre Wunschministerien. Die sozialdemokratischen Wahlverlierer haben verhandelt wie tatsächliche Gewinner. Und doch gibt es einen dicken inhaltlichen Schönheitsfehler, der die Genossen noch beschäftigen könnte. Denn die Kampfansage auf dem Parteitag lautete: Wenn es schon keinen Systemwandel zur Bürgerversicherung gibt, dann soll es zumindest ein deutlicher Schritt in diese Richtung sein.

Vor allem SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach, so war aus den Verhandlungen zu hören, rang auch tatsächlich verbissen und bis zuletzt um Erfolge im Kampf gegen die angebliche Zwei-Klassen-Medizin. Über die Angleichung der Arzthonorare für privat und gesetzlich Versicherte sollte der entscheidende Schritt gelingen. Doch er gelang nicht. Zu stark war der Widerstand aus der Union. Im Entwurf des Koalitionsvertrags steht nun nur, dass sich eine Kommission die Sache noch einmal genauer ansehen soll. Und selbst das ist noch versehen mit dem deutlichen Hinweis, dass erst danach entschieden wird, ob man auch nur das Geringste ändern will. Dazu kommt: Zur ebenfalls von der SPD geforderten Öffnung der gesetzlichen Krankenversicherung für Beamte findet sich im Koalitionspapier kein Wort.

Zu behaupten, die SPD hätte in der Gesundheitspolitik nichts rausgeholt , wäre falsch. Immerhin sollen sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Kassenbeiträge künftig wieder teilen. Die Terminvergabe für Kassenversicherte soll verbessert werden. Und auch die Verbesserungen in der Pflege kommen bei der SPD-Klientel an. Doch große Teile der Basis – die ja noch über den Vertrag abstimmen muss – hatten eben nicht weniger erwartet als eine Reform. Dass die Verhandler diesen großen Wunsch nicht erfüllen konnten, ist nicht so verwunderlich. Wohl aber, dass sie ihren Mitgliedern genau das immer wieder in Aussicht gestellt haben.

Sebastian Horsch

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