Nein, diese Regierungsbildung war keine Dauerwerbesendung für unsere Parteiendemokratie. Eine Erkenntnis brachte sie aber doch: Wenn sich Partner zusammentun, die nichts miteinander anzufangen wissen, setzen sich am Ende die lautesten Nervensägen durch. Als Lohn für ihre Quengelei erhält die SPD eine Fülle an Macht und inhaltlichen Zugeständnissen, die ihrem miserablen Abschneiden bei den Wählern auf absurde Weise Hohn spricht. Doch auch Merkels Quälgeist Horst Seehofer macht mit seinem Innen-Bau-Heimat-Monsterministerium Beute, wie es dem alten CSU-Fuchs kaum noch einer zugetraut hat.
So wie die SPD mit der Besetzung des Arbeitsministeriums ihr Wahlkampf-Versprechen umsetzt, die Arbeitswelt mitzuformen, macht sich die CSU daran, ihre mit Zähnen und Klauen durchgesetzte Obergrenze in praktische Politik zu überführen. Damit stehen die Sieger dieser übellaunigen Koalitionsverhandlungen fest – aber auch die Verliererin: Angela Merkel behält die Kanzlerschaft (um mehr hatte die programmatisch entkernte CDU im Wahlkampf ja auch nicht geworben), aber sie verliert ihre Richtlinienkompetenz und ihre überragende Stellung in Deutschland und Europa. In der Migrationspolitik bestimmt, zur großen Erleichterung vieler Bürger, künftig die CSU die Leitlinien. Und in der Euro(pa)politik sitzt jetzt die SPD am langen Hebel, weil sie künftig durch das Finanz- und das Außenministerium entscheidend Einfluss auf die Rettungspolitik nehmen kann. Ihr Ziel ist es, Schäubles strenge Sparpolitik in Europa zu beenden. Das wird teuer. Alles, was die Union der SPD hier abringen konnte, war die Zusage, dass über Hilfsmilliarden weiter der Bundestag entscheidet und nicht Brüssel.
Die desorientierte SPD war am Ende immerhin klug genug, ihren Parteimitgliedern ein Ja zur dritten GroKo zu erleichtern, indem sie den Verlierer Martin Schulz durch Andrea Nahles an der Parteispitze ersetzt. Die neue Genossen-Chefin wird durch die Bündelung von Partei- und Fraktionsvorsitz in ihrer Hand – und durch den Wechsel ihres Vertrauten Olaf Scholz ins Vizekanzleramt – die neue starke Frau in Berlin. Die alte ist dagegen schon fast Geschichte: Merkels langer Abschied von der Macht begann in dem Moment, als FDP-Chef Lindner Jamaika platzen ließ und die Kanzlerin zur Geisel der SPD machte. Ihr Autoritätsverfall wird auch nicht gestoppt, wenn der Bundestag sie ein viertes Mal zur Regierungschefin wählt. Denn Merkel wird in der Flüchtlings- und der Europapolitik einkassiert, ihre CDU in der Regierung mit zweitklassigen Ministerien abgespeist. In ihnen löst sich auch der Gestaltungsanspruch der größten deutschen Partei auf.
Wie lange hält die bis zur Selbstverleugnung loyale CDU das noch aus? Anders als die Chefs von SPD und CSU, die nach schweren Wahlniederlagen den Weg für eine Erneuerung freimach(t)en, klammert sich die CDU-Chefin an die Reste ihrer Macht. Doch das Murren ihrer erbosten Kritiker in der Partei, angeführt von dem übergangenen Jens Spahn, dürfte schon bald unüberhörbar werden. Die dritte GroKo ist nicht so langweilig wie der Ruf, der ihr vorauseilt.
Georg Anastasiadis
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