Es war ein irritierendes Zeichen: Eine zweistellige Zahl von Staats- und Regierungschefs, immerhin aus Ländern wie Großbritannien, Israel oder dem Irak, kam am Wochenende in München zusammen – nur das Gastgeberland war weder mit der Kanzlerin noch einem Bundespräsidenten vertreten. Lediglich einige geschäftsführende Minister (einige, wie Innenminister de Maizière auf Abruf) repräsentierten das wichtigste Land Europas. Und da ließ ausgerechnet Außenminister Sigmar Gabriel am Freitag gleich mehrere wichtige Termine platzen, um schnell im Berliner Newsroom einer Zeitung eine Pressekonferenz zur Steigerung seines Marktwerts zu geben.
Schon immer haben innenpolitische Debatten die Außenpolitik geprägt. Doch auf der Münchner Sicherheitskonferenz wurde deutlich, wie sehr Berlin derzeit um sich selbst kreist. Das ist bedauerlich. Weniger weil der monatelange Stillstand in Deutschland die internationale Politik zusehends nervt, sondern weil die Bürger der Welt dringend etwas deutsche Stabilität gebrauchen könnten. Selbst wenn der aus dem Ruder laufende Stellvertreterkrieg in Syrien auf der Konferenz nur hinter den Kulissen Thema war, zeigten sich im noblen Ambiente noch genügend Risse: ein Großbritannien, das seine Verlässlichkeit betonen muss. Eine Türkei, die sich – Yücel-Freilassung zum Trotz – immer weiter vom Westen und der Nato entfernt. Ein Russland, dem der Westen immer offener schlechteste Absichten unterstellt. Und dazu ein amerikanisches Führungsvakuum, das immer offensichtlicher zutage tritt. Es gäbe viel zu tun für Deutschland.
Doch leider spielen außenpolitische Themen auch in der deutschen Regierungsdebatte eine untergeordnete Rolle. Deshalb kann man nur hoffen, dass viele SPD-Mitglieder am Samstag der Rede Gabriels lauschten. Seinem Fauxpas vom Freitag ließ er eine kluge, ausgewogene Bewerbung für eine weitere Amtszeit folgen. Sie bewies, dass der parteiintern gefürchtete Bauchpolitiker auf dem immer glatter werdenden diplomatischen Parket eine Stimme der Vernunft ist. Deutschland – und erst Recht die SPD – wäre gut beraten, Gabriel als Außenminister zu behalten.
Mike Schier
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