München – Als Theresa May ihre Rede bei der Münchner Sicherheitskonferenz beendet hat, sagt Gastgeber Wolfgang Ischinger erfrischend ehrlich genau das, was sich die meisten Zuhörer während des 24-minütigen Vortrags gedacht haben dürften. „Die Brexit-Entscheidung ist aus Perspektive der EU extrem bedauerlich“, findet der ehemalige deutsche Botschafter in London. „Die Dinge wären so viel einfacher, wenn Sie bleiben würden.“ Er bekommt spontan lauten Beifall aus dem Publikum – und eine klare Abfuhr seiner Gesprächspartnerin. „Wir werden die EU verlassen. Ein zweites Referendum kommt nicht infrage.“
Es ist mal wieder ein schwieriger Auftritt für die britische Premierministerin. In Europa stößt sie auf Unverständnis. Und in der Heimat wachen die Brexit-Advokaten mit Argusaugen darüber, wie sich May präsentiert. Diesmal geht es um Sicherheit. Ein heikles Thema im zuletzt von Anschlägen erschütterten Königreich. Die Botschaft richtet sich deshalb nur zur einen Hälfte an ihr Münchner Publikum. Die andere geht ans Volk daheim. „Wir müssen tun, was praktisch und pragmatisch ist, um unsere gemeinsame Sicherheit zu gewährleisten.“ Oder: „Wir möchten die Kooperation auch nach dem Austritt aus der EU fortsetzen und vorantreiben“ Und: Europas Sicherheit ist unsere Sicherheit.“ May will das Instrument des Europäischen Haftbefehls beibehalten und Teil Europols bleiben. Das sei im Kampf gegen Terror, organisierte Kriminalität und Cyberkriminalität sehr wichtig.
Am liebsten würde May das alles in einer Art Sicherheitsvertrag regeln. Sie sehe „keinen Grund“, der einem solchen Vertrag entgegenstehe. Großbritannien plant den EU-Austritt zum 29. März 2019. Sollte es zu diesem Datum keine Einigung mit der EU geben und ein harter Brexit erfolgen, wären auch alle Sicherheitsfragen offen. Dem will die Premierministerin mit ihrem Vorstoß vorbeugen. Ihr Auftritt wird in Zusammenhang mit einer Reihe von Brexit-Reden gesehen, die Kabinettsmitglieder in diesen Tagen halten.
Bei Beobachtern stößt der Auftritt auf zurückhaltende Reaktionen. In Brüssel ist man zunehmend genervt, dass sich Großbritannien auf wichtigen Politikfeldern die Vorteile der europäischen Zusammenarbeit sichern möchte, sich bei schwierigen Feldern dagegen verabschiedet. „Rosinenpicken“ nennt man das. Die Reaktion von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker fällt entsprechend kühl aus. „Ich hätte nicht gerne, dass man sicherheitspolitische Erwägungen und andere politische Erwägungen in einen Topf wirft“, sagt er in München.
Allerdings wissen natürlich auch die Verteidigungs- und Innenminister, dass die Briten ein wesentlicher Bestandteil im Kampf gegen den Terrorismus sind. Mike Schier