Bartels bitterste Bilanz

von Redaktion

Eigentlich sollte bei der Bundeswehr alles besser werden – Aber die Truppe bleibt ein Sanierungsfall

Berlin – Hans-Peter Bartels muss Mängel und Missstände in der Truppe benennen. Das ist sein Job. Deshalb fallen die Jahresberichte des Wehrbeauftragten des Bundestags selten schmeichelhaft für die Verteidigungsministerin aus. Aber dieses Jahr ist Bartels’ Bilanz bitter wie nie. Auf 120 Seiten beschreibt er die Truppe als einen einzigen Sanierungsfall. Wäre sein Bericht ein Schulzeugnis, wäre die Versetzung von Ursula von der Leyen gefährdet. „Die Ministerin war schnell im Probleme analysieren und dann im Trendwenden proklamieren“, sagt er. „Nur macht die Proklamation allein noch nichts besser.“

Als Bartels seinen ersten Bericht vor drei Jahren vorlegte, da verkündete von der Leyen zwei Stunden später große Trendwenden für die Bundeswehr. Die Ausrüstung der Truppe sollte mit einem 130 Milliarden Euro schweren Investitionsprogramm auf Vordermann gebracht, das Personal aufgestockt, der Schrumpfkurs eines Vierteljahrhunderts beendet werden. Bartels war angetan von den Reformen. Aber drei Jahre später ist keine Besserung in Sicht. Im Gegenteil: Der Zustand der Truppe habe sich eher noch verschlechtert, sagt der Wehrbeauftragte.

Personal: Die Bundeswehr versucht händeringend, ihre Reihen zu füllen. Teure Werbemaßnahmen sollen Fachkräften locken. Die Personalpolitik bleibt laut Bartels aber weit hinter den Erwartungen zurück. 21 000 Dienstposten von Offizieren und Unteroffizieren seien nicht besetzt, kritisiert er.

Material: Panzer, die nicht rollen, Hubschrauber, die nicht fliegen, Boote, die nicht schwimmen. Die Ausrüstung der Truppe hat sich laut Bartels sogar verschlechtert. Er spricht von riesigen Lücken in allen Teilstreitkräften. „Das Material ist noch älter, Ersatzteile liegen keine auf Lager.“ Die Einsatzbereitschaft der Waffensysteme sei „dramatisch niedrig“. Alle sechs U-Boote der Marine liegen derzeit auf dem Trockenen. Von 16 A400M-Transportflugzeugen ist an manchen Tagen keines einsatzbereit. „Als Ganzes ist die Bundeswehr nicht ausgerüstet.“

Finanzen: Für die Trendwende fordert Bartels mehr Geld. Im Haushaltsplan stehe „noch nichts substanziell Zusätzliches“. Die Mittel, die laut aktuellem Finanzplan in den nächsten Jahren für die Truppe vorgesehen sind, glichen nur die Inflation aus, beschwert sich Bartels. Union und SPD haben im Koalitionsvertrag vereinbart, zusätzliche Haushaltsmittel vorrangig in die Bundeswehr zu stecken. Das ist Bartels zu unsicher. „Im Moment regiert das Prinzip Hoffnung.“

Die Trendwenden müssten „deutlich mehr Fahrt aufnehmen“, sagt Bartels. Er gilt als „Anwalt der Soldaten“, er bekommt den Frust der Truppe tausendfach auf seinen Schreibtisch. Der SPD-Politiker schlägt vor, die schlechte Stimmung in der Bundeswehr im Alltag durch den unbürokratischen, schnellen Kauf einfacher Ausrüstung aufzuhellen. Er denkt dabei an Stiefel, Funkgeräte oder Nacht-sichtbrillen. Es sei nachvollziehbar, wenn die Beschaffung eines Panzers zehn Jahre dauere. „Aber Klamotten zu kaufen, kann nicht so lange dauern.“ Trotzdem muss sich Bartels mit Vorschlägen begnügen. „Zu entscheiden hab ich nix, ich kann nur helfen.“

Mit seinem Bericht dürfte er von der Leyen dennoch gehörig unter Druck bringen. Die Bilanz kommt zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt für die CDU-Politikerin. Von der Leyen ist gerade dabei, in eine neue Amtszeit als Verteidigungsministerin zu starten. Eigentlich gilt sie als gesetzt im Kabinett von Angela Merkel. Aber in trockenen Tüchern ist das nicht. Die Personalien für ihre Regierung will die CDU-Chefin erst Ende der Woche verkünden. Nico Pointner

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