Wer dachte, nach dem militärischen Sieg über die IS-Terrormiliz werde sich das syrische Kriegschaos schon lichten, hat sich bitter getäuscht. Denn mit dem Ende des Kalifats ist den großen Akteuren in der Region ein gemeinsamer Gegner abhanden gekommen. Nun versuchen sie mit aller Macht, ihre eigenen strategischen Interessen durchzusetzen. Seit sieben Jahren tobt der Bürgerkrieg – aber Syrien ist einem Frieden heute so fern wie lange nicht.
Der womöglich völkerrechtswidrige Einsatz der Türkei im kurdischen Afrin ist dramatisch genug, zumal er nach wie vor Spannungen zwischen Türken und Amerikanern schürt. Noch vernichtender tritt aber die Achse Moskau-Damaskus-Teheran auf. Syriens Machthaber Baschar al Assad, der ja nicht einmal den Einsatz von Chemiewaffen scheut, bombardiert völlig schamlos und mit Putins Hilfe die eigene Bevölkerung. Fast 300 Menschen sind allein seit Sonntag getötet worden. Die berührenden Bilder weinender, blutverschmierter Kinder sind ihr stummes Zeugnis. Irans Führung reibt sich indes die Hände. Denn über allem steht das Ziel, eine schiitische Dominanz vom Irak über Syrien bis Libanon zu schaffen. Und Israels Premier Benjamin Netanjahu hat bei der Sicherheitskonferenz klargemacht, dass sein Land dem nicht einfach zuschauen wird. Noch mehr gefährlicher Zündstoff.
Syrien ist längst zum Hauptschauplatz eines Kampfes um die Vormacht in der Region geworden. Die Lücke, die die ehemalige Ordnungsmacht USA hinterlässt, scheint niemand ernsthaft füllen zu können. An die EU ist kaum zu denken – ihre kraftlosen Appelle verhallen ohnehin ungehört. Weder sie noch einer der Akteure in Syrien hat einen Plan zur Lösung des Konflikts. Im Gegenteil. Es scheint, als wappneten sich alle für eine weitere Eskalation.
Marcus Mäckler
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