Paris plant klare Kante in der Flüchtlingspolitik

von Redaktion

Frankreichs Präsident Macron verschärft mit einem Gesetz das Asyrecht – nicht alle im Land reagieren begeistert

Paris – Asylrechtsaktivisten auf den Barrikaden, Unruhe im eigenen Lager und ein Streikaufruf im französischen Flüchtlingsamt: Die Pariser Regierung und Präsident Emmanuel Macron stehen wegen ihres Kurses in der Migrationspolitik unter Druck. Das Kabinett hat am Mittwoch den Entwurf eines neuen Asyl- und Einwanderungsgesetzes vorgelegt, das in weiten Teilen ein Katalog von Verschärfungen ist. Ziel ist es, die Asylverfahren zu beschleunigen und abgelehnte Bewerber konsequenter abzuschieben. „Frankreich muss die Flüchtlinge aufnehmen, aber es kann nicht alle Wirtschaftsmigranten aufnehmen“, sagt Innenminister Gérard Collomb.

Das Gesetz ist ein wichtiger Baustein der Migrationspolitik des sozialliberalen Präsidenten Emmanuel Macron. Er und die Regierung setzen einerseits auf eine harte Linie im Hinblick auf Wirtschaftsmigranten, die keinen Anrecht auf Schutz in Frankreich haben. Andererseits haben sie versprochen, die Bedingungen für Asylbewerber und anerkannte Flüchtlinge zu verbessern.

Während die Zahl der Asylanträge in Deutschland 2017 deutlich zurückging, stieg sie in Frankreich weiter, um 17 Prozent. Zudem gibt es ganz offensichtliche Probleme: Migranten schlafen in Paris auf der Straße, die Wartezeiten für das Stellen eines Asylantrags sind lang. Und die Regierung befürchtet, dass in anderen EU-Ländern abgelehnte Asylbewerber ins Land kommen könnten – vor allem aus Deutschland. „Es gibt heute wahrscheinlich etwa 700 000 bis 800 000 Personen in Europa, deren Asylantrag abgelehnt wurde“, so Collomb. In den vergangenen drei Jahren wurden in Frankreich deutlich weniger Asylanträge gestellt als beispielsweise in Deutschland – nur rund 266 000 Anträge, davon gut 100 000 im vergangenen Jahr.

Der neue Gesetzentwurf sieht vor, dass Asylanträge künftig im Durchschnitt innerhalb von sechs Monaten endgültig entschieden werden sollen. Bislang sind es nach Angaben der Zeitung „Le Monde“ rund vier Monate beim Flüchtlingsamt plus fünf Monate im Berufungsverfahren. Asylbewerber sollen weniger Zeit haben, um Einspruch gegen einen negativen Bescheid einzulegen. Die maximale Dauer der Abschiebehaft wird mehr als verdoppelt werden – auf rund 4,5 Monate. In Deutschland sind bis zu 18 Monate möglich.

Schon vergangene Woche hat das Parlament ein Gesetz beschlossen, damit auch Asylbewerber in Abschiebehaft genommen werden können, die in ein anderes EU-Land zurückgeschickt werden sollen. Das sogenannte Dublin-System sieht vor, dass grundsätzlich jenes Land für das Asylverfahren zuständig ist, in dem ein Schutzsuchender nachweislich das erste Mal EU-Boden betreten hat.

Hilfsorganisationen kritisierten, dass mit den neuen Regeln das Recht auf Asyl geschwächt werde. Beim Flüchtlingsamt Ofpra hatten Gewerkschaften aus Protest zum Streik aufgerufen. „Dieser Text macht uns die richtige Anwendung der Genfer Konvention (zum Status von Flüchtlingen) unmöglich“, sagte die Gewerkschafterin Sylvie Charvin. Der Front National dagegen bemängelte die Maßnahmen bereits als viel zu lasch. Collomb bezeichnete das Gesetz als „ausgewogen“ und erwiderte, dass Frankreich sich lediglich der Rechtslage der Nachbarländer annähere. Sebastian Kunigkeit

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