Leipzig – Die Luft ist klar an diesem Tag in Leipzig. Die Sonne strahlt, der Himmel ist blau. Vor dem mächtigen Sitz des Bundesverwaltungsgerichts stehen Greenpeace-Demonstranten mit einem großen Transparent: „Saubere Luft ist nicht verhandelbar.“ Drinnen im riesigen, voll besetzten Verhandlungssaal sitzt Jürgen Resch erwartungsfroh und lächelt in die Kameras, der „Schrecken“ der Autoindustrie. Auf diesen Tag hat der Chef der umstrittenen „Deutschen Umwelthilfe“ lange hingearbeitet.
Das oberste Verwaltungsgericht verhandelt, ob Diesel-Fahrverbote in Städten nach geltendem Recht zulässig sind. Es wird dann aber doch kein Tag des Triumphes für Resch – das Gericht vertagt seine Entscheidung auf den nächsten Dienstag.
Es geht um ein Urteil, das massive Auswirkungen haben könnte – und auch der künftigen Bundesregierung mächtig Dampf machen dürfte. Die Kernfrage: Dürfen Städte Fahrverbote für schmutzige Diesel nach geltendem Recht eigenständig anordnen? Für viele Kommunen und die Autohersteller ist das ein Schreckensszenario. Das Image des Diesel ist sowieso am Boden.
Vier Stunden lang, länger als geplant, geht es mit Argumenten im Saal hin und her. „Rechtsgespräch“ nennen das die Verwaltungsjuristen. Staubtrocken aber geht es nicht zu, ganz im Gegenteil: Man spürt auch Emotionen. Remo Klinger, Anwalt der klagenden Deutschen Umwelthilfe (DUH) sagt, die Schadstoff-Grenzwerte müssten nun endlich eingehalten werden, es gehe vor allem um die Opfer.
Erst einen Tag vorher gibt das Umweltbundesamt bekannt: Rund 6000 Menschen in Deutschland sterben laut einer Studie pro Jahr vorzeitig an Herz-Kreislauf-Erkrankungen, die von Stickoxiden ausgelöst werden. Diesel sind die Hauptursache. Zwar ist die Belastung zuletzt etwas gesunken. Immer noch aber werden die Grenzwerte in knapp 70 Städten überschritten – am stärksten in München, Stuttgart und Köln. Seit Jahren laufen Klagen der DUH, viele in der Autobranche schimpfen über sie als „Abmahnverein“.
Vor den Verwaltungsgerichten in Stuttgart und Düsseldorf hatte die DUH Siege errungen. Die Gerichte verurteilten die zuständigen Behörden dazu, die Luftreinhaltepläne so zu verschärfen, dass die Grenzwerte eingehalten werden. Dabei seien auch Fahrverbote in Betracht zu ziehen, für bestimmte, stark belastete Strecken oder für Umweltzonen. Dagegen aber gingen die Länder Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen in Sprungrevision. Das Hauptargument: nach geltendem Recht könnten Städte Fahrverbote in Eigenregie gar nicht anordnen – dafür wäre eine bundeseinheitliche Regelung nötig.
Und so landet der Fall in Leipzig. Das Medieninteresse ist riesig. Es geht auch um die Frage, welche Zusatz-Verkehrszeichen notwendig wären, wenn es zu Fahrverboten käme. Die Länderseite bezweifelt, dass die Polizei Fahrverbote überhaupt kontrollieren könne. Die DUH kontert: dann könne man ja auch den Tatbestand Fahren ohne Führerschein oder Alkohol am Steuer abschaffen.
Viel Zeit nimmt die Frage in Anspruch, ob Fahrverbote verhältnismäßig seien. Was kann ein Diesel-Fahrer dafür, wenn er vor drei Jahren einen Diesel gekauft hat, mit dem er womöglich bald nicht mehr in Innenstädte kommt. Massive Wertverluste drohen. Dann müsse der Staat die Betroffenen entschädigen, sagt DUH-Anwalt Klinger. An diesem Punkt aber zeigen sich Zweifel beim Gericht. Der Vorsitzende Richter spricht von der Notwendigkeit einer „rechtssicheren Entschädigung“.