Berlin – Es ist ein Abgang im zweiten Anlauf. Vor genau einem Monat hatte Martin Schulz nach seinem Aus als SPD-Chef bereits verkündet, dass Sigmar Gabriel seinen Posten als Außenminister an ihn abgeben muss. Gabriel reagierte auf die eiskalte Entlassung mit einem Wutausbruch. Zwei Tage später wendete sich das Blatt wieder, Schulz schmiss hin und der geschäftsführende Außenminister war zurück im Rennen.
Seit Donnerstag ist endgültig klar, dass mit Gabriel einer der erfahrensten und beliebtesten Politiker Deutschlands der neuen Regierung nicht angehören wird. Diesmal nahm der 58-Jährige die Verkündung aber lieber selbst in die Hand. „Nun endet die Zeit, in der ich politische Führungsaufgaben für die SPD wahrgenommen habe“, schrieb er auf Twitter und zählte die Erfolge in siebeneinhalb Jahren als Parteichef und acht Jahren als Minister auf.
Kurz zuvor hatten die Fraktionschefin Andrea Nahles und der kommissarische Parteichef Olaf Scholz ihn informiert. Die Entscheidung ist alles andere als eine Überraschung. Gabriel fehlte zuletzt jede Unterstützung in der Parteispitze. Mit Nahles, die einst unter ihm Generalsekretärin war, hat sich Gabriel überworfen. Sein Verhältnis zu Scholz gilt als schwierig.
Gabriel werden vor allem seine Alleingänge angekreidet. Wenn Nahles sagt, dass Teamfähigkeit das wichtigste Eignungskriterium für einen Kabinettsposten sei, dann ist das vor allem auf Gabriel gemünzt.
Parteipolitisch war die Entlassung Gabriels also eine klare Sache. Er passt einfach nicht mehr ins Machtgefüge der Sozialdemokraten. An der Parteibasis und in der Bevölkerung insgesamt wird der Niedersachse aber ganz anders gesehen. In Umfragen liegt er bei der Frage, wer der beste Außenminister wäre, mit Riesenabstand vorne. In den Ranglisten der beliebtesten Politiker belegt er seit Monaten Spitzenpositionen.
Und seine außenpolitische Bilanz? Gabriel hat seinen eigenen Stil entwickelt: eine vollkommen undiplomatische Außenpolitik oder auch eine sehr politische Diplomatie – je nachdem, von welchem Standpunkt aus man es betrachtet. Er war jedenfalls das Gegenteil von Vorgänger Frank-Walter Steinmeier, der seine außenpolitischen Erfolge in kleinteiligen, langwierigen Verhandlungen etwa über die Ukraine-Krise oder das iranische Atomprogramm suchte.
Gabriel fehlte dafür die Geduld. Er liebte dagegen die klare Ansage auf offener Bühne. Damit eckte er auch schon mal so heftig an, dass ein diplomatischer Eklat das Ergebnis war. So zog Saudi-Arabien seinen Botschafter aus Berlin ab, weil Gabriel der Regionalmacht im Nahen Osten „Abenteurertum“ vorwarf. Viele andere internationale Partner halten dagegen große Stücke auf ihn. Selbst ein ehemaliger Gegner wie der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu, der ihn bei seinem Deutschlandbesuch mehrfach demonstrativ „meinen verehrten Freund“ nannte. Auch im eigenen Haus galt Gabriel als anerkannt.
Sein Nachfolger wird nun Justizminister Heiko Maas. Leicht wird es nicht für ihn – nicht nur wegen der großen Fußstapfen, die Gabriel und Steinmeier im Auswärtigen Amt hinterlassen haben. Maas muss sich zudem gegenüber dem Kanzleramt und dem Finanzministerium behaupten, das künftig Scholz führt. Es wird darum gehen, wer von den SPD-Ministern den Ton in der Europapolitik angibt.
Und was wird aus Gabriel? Er hat einen Lehrauftrag an der Universität Bonn angenommen. Im Bundestag nimmt er ohne jegliche Führungsrolle in der Fraktion auf der Hinterbank Platz – zusammen mit Martin Schulz.