Es gibt also auch in der AfD noch so etwas wie Grenzen des Anstands. Die hat der sachsen-anhaltinische Landesvorsitzende Andre Poggenburg überschritten, als er türkische Mitbürger als Kümmelhändler und Kameltreiber beleidigte. Sein Sturz überrascht trotzdem, weil rassistische und ausländerfeindliche Töne in der AfD zuletzt immer mehr salonfähig geworden waren und auch die Brandmauern zur unappetitlichen Pegida-Bewegung eingerissen wurden.
Gerade in Ostdeutschland ist die AfD bemüht, sich das Erbe der erst spät aus den Landtagen verdrängten NPD einzuverleiben. Gäbe es deren parlamentarischen Arm noch, wäre Poggenburg wohl nie in der AfD gelandet, sondern gleich beim Original. Doch kann, wer anschlussfähig zu den Neonazis sein will, nicht gleichzeitig zur gesamtdeutschen Volkspartei heranreifen. Deshalb sah man in der Bundes-AfD wohl wenig Anlass, den lästigen Rechtsausleger zu halten, als der in seinem Landesverband auch wegen diverser Eigenmächtigkeiten unter Druck geriet.
Mit der Entfernung Poggenburgs aus der ersten Reihe der Ost-AfD verschwindet zwar ein besonders hässliches Gesicht der Partei, doch nicht das Problem an sich: Auf dem politischen Aschermittwoch der sachsen-anhaltinischen AfD in Pirna wurde Poggenburg für seine „Kameltreiber“ von den Zuhörern mit donnerndem Applaus gefeiert. Es wird auch künftig genug AfD-Politiker geben, die diese für die Partei offenbar unverzichtbare Klientel bei Laune halten. Und es bleibt ein Phänomen, dass die Anbiederung an die Rechtsextremen von so vielen bürgerlich eingestellten AfD-Wählern geduldet wird. Den alten Volksparteien muss es zu denken geben, dass selbst die übelsten AfD-Entgleisungen ihnen die Wähler von früher nicht zurückbringen.
Georg Anastasiadis
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