Jahrelang entschied Sigmar Gabriel Machtfragen in der SPD im Zwiegespräch mit Sigmar Gabriel: 2011 entschied er, dass Peer Steinbrück Kanzlerkandidat wird. 2017 entschied er, dass Martin Schulz gegen Angela Merkel antreten solle und er selbst (auf dem Tiefpunkt seiner Umfragewerte) das Außenministerium übernimmt. Schulz ist längst Geschichte – auch Gabriel hat nun nichts mehr zu entscheiden. Trotz seiner wundersamen Wandlung zum beliebtesten Politiker serviert ihn die SPD ab.
Gabriels Demission ist bedauerlich und verständlich zugleich. Bedauerlich, weil eben erst seine Rede auf der Sicherheitskonferenz sein politisches Gewicht verdeutlichte. Gabriel ist – fast möchte man schon sagen: war – ein Instinktpolitiker vom Schlage Gerhard Schröders oder Horst Seehofers. Einer mit Ecken und Kanten. Und eben weil das so ist, kann man nachvollziehen, dass sich in der SPD kaum noch Befürworter finden. Der Ex-Parteichef hat mit seiner Sprunghaftigkeit, seiner Ungeduld und seinem Tatendrang über viele Jahre verbrannte Erde hinterlassen. Irgendwann holt einen so etwas ein.
Vor allem aber ist sein Abgang eine Machtdemonstration der neuen Parteispitze. Andrea Nahles und Olaf Scholz versuchen, die so oft geforderte Neuausrichtung der Partei vor allem an Köpfen festzumachen. Das kann man angesichts der schwachen Wahl- und Umfrageergebnisse nachvollziehen, allerdings haben sich bislang die wenigsten Bürger eine Beförderung von Heiko Maas herbeigesehnt. Die Strategie ist auch aus einem anderen Grund riskant: Man kann sich schwer vorstellen, dass Gabriel als freier Abgeordneter sein Mundwerk zügeln wird. Und ungebetene Ratgeber hat die SPD eigentlich genug.
Mike Schier
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