Magdeburg – Drei Wochen nach seiner Hetzrede gegen die Türkische Gemeinde hat Sachsen-Anhalts AfD-Chef André Poggenburg Fehler eingeräumt und seinen Rücktritt angekündigt. „Ich habe mich da tatsächlich verkalkuliert“, sagte der 42-Jährige am Rande einer Landtagssitzung in Magdeburg. Er habe die Folgen und Reaktionen auf die Rede nicht richtig abgeschätzt und den „enormen medialen Druck“ nicht kommen sehen. „Das muss ich auf meine Kappe nehmen.“ Deswegen gebe er zum Monatsende seine Chefposten in Fraktion und Partei freiwillig auf.
„Ich persönlich kann diesem Druck problemlos begegnen, möchte diesen aber von den Mitgliedern, Fraktionskollegen und Parteifreunden abwenden“, sagte Poggenburg. Der AfD-Politiker hatte die in Deutschland lebenden Türken pauschal als „Kümmelhändler“ und „Kameltreiber“ verunglimpft, die in Deutschland „nichts zu suchen und nichts zu melden“ hätten. Der AfD-Bundesvorstand mahnte ihn ab, die Landtagsfraktion entzog ihm das Vertrauen. Die Kreisverbände in Sachsen-Anhalt meldeten Austritte und den Rückzug von Mitgliedsanträgen.
Der Vize-Bundesvorstandsvorsitzende Kay Gottschalk sprach von einer „guten und weisen Entscheidung“. Diese zeige, „dass die AfD erwachsen geworden ist“. Poggenburg habe bereits andere Fehler gemacht. „Es war nicht nur diese eine Rede.“ Er sei froh, dass der Landesverband das Problem alleine gelöst habe.
Das Bundesvorstandsmitglied Andreas Kalbitz sagte: „Ich finde es verantwortungsvoll von Herrn Poggenburg, dass er seine Konsequenzen daraus zieht zum Wohle der Partei.“ Der brandenburgische Landeschef Kalbitz gehört zusammen mit Poggenburg und dem Thüringer Landesvorsitzenden Björn Höcke zum rechtsnationalen Parteiflügel. Dass Poggenburg seinen Abgang selbst moderieren durfte und nicht demontiert wurde, könnte er auch seinen Mitstreitern dort zu verdanken haben. Ein Totalabsturz hätte indirekt wohl auch den Ruf des „Flügel“ beschädigt.
In der AfD in Sachsen-Anhalt rumort es seit Längerem. In der Landtagsfraktion war es auch als problematisch angesehen worden, dass Poggenburg seine Lebensgefährtin als Auszubildende in die Fraktion holte. „Das sind genau solche Filzgeschichten, die wir als AfD fundamental ablehnen“, sagte ein AfD-Mitglied. Im Zuge der Streitigkeiten verließen drei Abgeordnete die Fraktion. Im Januar trat das Landesschiedsgericht zurück, um gegen das Gebaren des Landesvorstands zu protestieren.
Schon vor zwei Jahren hatte Poggenburg angekündigt, den Parteivorsitz aufzugeben – und dann eine Rolle rückwärts gemacht. Einige warfen ihm daraufhin Ämterhäufung vor. Erst vor knapp einem Monat rang Poggenburg darum, Ruhe in seinen Laden zu bekommen. Der Streit solle aufhören, er koste Wählerstimmen, mahnte er. Schon eine Stunde nach seinem Appell stritten die Mitglieder munter mit persönlichen Angriffen weiter. Das Signal: Der Mann, der die AfD vor zwei Jahren als Spitzenkandidat mit einem Ergebnis von 24,3 Prozent als zweitstärkste Kraft in den Landtag geführt hatte, hat an Glanz und Autorität verloren.
Nach Poggenburgs Rückzug dürfte die AfD in Sachsen-Anhalt kaum einen gemäßigteren Kurs anstreben. Oliver Kirchner, den der Noch-Chef selbst als Nachfolger ins Gespräch brachte, hat voriges Wochenende auf dem Bundeskonvent einen Antrag zur Aufhebung des Kooperationsverbots mit Pegida gestellt. Auch der Bundestagsabgeordnete Martin Reichardt, der sich für den Posten als Landeschef Chancen ausrechnen kann, bewegt sich im rechten Parteispektrum. Die Gemäßigten in der AfD sind dennoch zufrieden: Vorstandsmitglied Steffen Königer hatte Poggenburg nach der Aschermittwochsrede „Dummheit“ bescheinigt. „Ich finde den Schritt richtig und anerkennenswert“, sagte er jetzt. Franziska Höhnl