Auf die Idee, den populärsten Minister ausgerechnet durch den unpopulärsten zu ersetzen, muss man erst mal kommen. Der fügsame Heiko Maas statt des unberechenbaren Sigmar Gabriel im Außenministerium: Für diese Personalie wird sich die neue SPD-Führung um Andrea Nahles noch lange rechtfertigen müssen. Die Parteispitze geht damit volles Risiko. Denn sie setzt sich gleich mit der ersten wichtigen Entscheidung dem Vorwurf aus, mal wieder nur auf die eigenen Funktionäre zu schielen – und nicht auf die Wähler. Die Volkspartei, die es partout besser weiß als das Volk: Das gab es zuletzt zu oft in der SPD. Wächst Maas nicht schnell in sein neues Amt hinein, wird diese Personalentscheidung den Spitzengenossen beim mühsamen Neustart wie ein Mühlstein am Hals hängen.
Dabei lohnt, jenseits der Causa Gabriel, durchaus ein zweiter Blick auf die SPD-Ministerriege: Der bedachte Hanseate Olaf Scholz hat das Zeug, ein respektabler Finanzminister zu werden. Dem Schröderianer Hubertus Heil ist zuzutrauen, als neuer Arbeitsminister das Agenda-Erbe der SPD zu wahren. Die spannendste Figur auf SPD-Seite aber ist die neue Familienministerin Franziska Giffey. Als zupackende Bezirksbürgermeisterin im Berliner Brennpunkt-Kiez Neukölln war sie hautnah mit Integrationsproblemen konfrontiert, die viele ihrer prominenteren Parteifreunde noch nicht mal vom Weghören kennen – und ebenso wie ihr Vorgänger, der legendäre Heinz Buschkowsky, scheute sie sich nicht, diese auch klar zu benennen.
Giffey weiß, was Bandenkriminalität im Alltag bedeutet, was an den Tafeln los ist, nicht nur in Essen, und welche Gefahren vom Islamismus ausgehen. Ihr wird die Aufgabe zufallen, die SPD wieder näher an die Lebenswelt ihrer Wähler heranzuführen. (Nur) wenn es ihr gelingt, die Partei rauszuholen aus ihren Brüsseler und Berliner Elfenbeintürmen, kann die deutsche Sozialdemokratie wieder etwas zuversichtlicher in die Zukunft blicken.
Georg Anastasiadis
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