P. – die blühende Stadt könnte überall liegen – hat es glänzend geschafft, zukunftsträchtige Industrien anzusiedeln. 17 000 Einwohner, 1392 Gewerbebetriebe und 10 000 sozialversicherungspflichtige Beschäftigte bei gerade einmal 275 gemeldeten Arbeitslosen sind die stolze Bilanz des Wachstums. Nur es fehlt an Wohnraum, ein Problem, das leicht zu beheben wäre. In der ländlichen Umgebung gibt es genügend Flächen, die als Bauland ausgewiesen werden könnten.
Aber die Aufstellung eines neuen Bebauungsplanes ist mühsam. Die Planungsunterlagen füllen dicke Aktenordner. Selbst ernannte Naturschützer finden immer irgendwo eine „Fledermaus“. Organisiert gelten sie als „Vertreter öffentlicher Interessen“ und nutzen ihre Macht gerne, um Bremsen in jede soziale Entwicklung zu legen. Bei ihren „Volksbegehren“ stimmen nur wenige Gleichgesinnte mit. Erreichen sie aber eine „Mindeststimmenzahl“, dann wird zunächst einmal ein Vorhaben für mindestens zwei Jahre blockiert. Das Nachsehen haben die Neubürger von P. Sie müssen lange Wege in Kauf nehmen oder Mieten zahlen, die auch in P. langsam unerschwinglich werden.
Schon lange plant die Stadt ein Hotel, um Gästen der Firmen in P. endlich eine angemessene Unterkunft bieten zu können. Auch hier gäbe es ein ideales ehemaliges Gutsgelände. Private Investoren, die das Hotel gerne bauen würden, sind vorhanden.
Die Hoteldebatte dauert nun schon fünf Jahre, es liegen 46 Standortvorschläge im Rathaus. Auch hier haben sich Naturbewahrer zu einer Initiative gegen ein Hotel an diesem oder jenem Standort zusammengeschlossen. Die Stadt in ihrer Überforderung sucht einen neutralen „Moderator“, der „die gesamte Stadtgesellschaft im Prozess der Standortsuche“ unterstützen soll.
Die Lokalzeitung fragt kritisch nach den Kosten für diese Moderation. Aber als Besucher im Rathaus reibt man sich erstaunt die Augen. Die Entscheidung, wo ein Hotel am besten steht, ist zunächst noch immer die des Investors, der sein gutes Geld dafür hergeben will und der auch das Risiko einer ausreichenden Hotelbelegung zu tragen in der Lage ist. Dessen Vorschläge sollte ein Stadtrat erörtern und dann entweder absegnen oder verwerfen. 46 Vorschläge und eine Diskussion über fünf Jahre machen doch jede Entwicklung zunichte.
Es gibt viele blühende Kommunen wie P. in Deutschland. Es ist mit ihnen wie mit dem Riesen Gulliver bei den Zwergen in dem Buch „Gullivers Reisen“. Die Zwerge haben ihn mit tausenden winzigen Bindfäden so gefesselt, dass er keinen Finger rühren kann. So wird bei uns in Deutschland jede Entwicklung ins Schneckentempo gebracht. Hoffentlich dauert es nicht so lange, bis neue Baugebiete und auch Hotels in P. oder anderswo sich erübrigen, weil es einfach kein Wachstum mehr gibt. Und vielleicht gibt es auch bald keine tüchtigen Bürgermeister und Stadträte mehr, die sich den Zirkus antun wollen, der heute mit der Führung einer auch nur mittelgroßen Stadt verbunden ist.
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