Berlin – Ein Teil des Westens dreht im Konflikt mit Moskau weiter an der Eskalationsschraube – und wählt dafür eine Dramaturgie fast wie im Kalten Krieg. Erst verkündet am Montag die alte Führungsmacht USA um 15 Uhr deutscher Zeit die Ausweisung von 60 russischen Geheimdienstmitarbeitern. Grund: der Giftanschlag auf den Ex-Doppelagenten Sergej Skripal in Großbritannien. Kurz darauf teilt EU-Ratspräsident Donald Tusk mit, dass neben Großbritannien mindestens 15 EU-Staaten russische Diplomaten ausweisen. Deutschland ist dabei, wenn auch wohl mit Bauchgrimmen.
Was von Tusk als Zeichen der Entschlossenheit und Solidarität mit Großbritannien gedacht sein dürfte, macht zugleich eine Spaltung der EU deutlich. Denn dass sich mindestens 15 EU-Staaten dazu entschlossen haben, eines der schärfsten diplomatischen Mittel einzusetzen, heißt auch: Die restlichen EU-Mitglieder wollen sich der diplomatischen Ohrfeige für Kreml-Chef Wladimir Putin nicht anschließen.
Der Riss im Bündnis dürfte auch einer der wesentlichen Gründe sein, warum Berlin bei der konzertierten Aktion mitmacht. Nichts anderes sei vor diesem Hintergrund möglich gewesen, heißt es in der Bundesregierung hinter vorgehaltener Hand. Hätten Deutschland und etwa Frankreich nicht mitgemacht, wäre die Spaltung innerhalb der EU noch schmerzhafter deutlich geworden. Zugleich wird betont, die Zahl von vier ausgewiesenen Diplomaten – Paris weist ebenso viele Russen aus – liege am unteren Rand dessen, was bei Ausweisungen möglich sei. Zudem sei Deutschland bei der Aktion nicht treibende Kraft gewesen.
Auch die Erklärung des neuen Außenministers Heiko Maas (SPD) zeigt eine Gratwanderung zwischen Solidarität mit London und dem Bemühen, den Gesprächsfaden nach Moskau nicht abreißen zu lassen. „Wir haben die Entscheidung zur Ausweisung der russischen Diplomaten nicht leichtfertig getroffen“, betont Maas mit fast beschwichtigendem Unterton. „Aber die Fakten und Indizien weisen nach Russland.“ Zudem habe der Kreml bisher keine der offenen Fragen beantwortet.
Aber Maas betont auch: „Wir sind weiterhin offen für einen konstruktiven Dialog mit Russland, der zu vielen internationalen Themen notwendig bleibt.“ Das liegt ganz auf der Linie von Kanzlerin Angela Merkel, die Putin beispielsweise aus den Verhandlungen im Normandie-Format über die Lage in der Ukraine so gut wie kein anderer westlicher Regierungschef kennt. Immer wieder unterstreicht sie, dass es keine Alternative zu weiteren politischen Verhandlungen mit dem schwierigen Russen gebe.
US-Präsident Donald Trump zeigt sich am Montag besonders hart – und das in einem Fall, der eigentlich nichts mit den USA zu tun hat. 60 russische Staatsbürger, die nach US-Darstellung alle für russische Geheimdienste arbeiten, müssen das Land verlassen. Das russische Konsulat in der Westküsten-Metropole Seattle wird am 2. April geschlossen.
Gut möglich, dass die Entscheidung Trumps auch ein Versuch ist, sich in Sachen Russland weißzuwaschen. Der Präsident steckt bis zum Hals in einer Affäre, die ihn schlimmstenfalls das Amt kosten könnte – russische Stellen sollen den US-Wahlkampf zu seinen Gunsten manipuliert haben, unter Umständen hat er oder haben Teile seines Lagers davon gewusst.
Das russische Außenministerium spricht am Montag derweil von einer Fortsetzung der Konfrontation und der Provokation – und kündigt prompt Vergeltung an.
J. Blank/M. Donhauser