Besuch in Afghanistan

Von der Leyen: Kabul muss endlich alte Seilschaften loswerden

von Redaktion

Kabul – Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen hat bei einem Besuch in der afghanischen Hauptstadt Kabul deutlich mehr Anstrengungen bei den politischen Reformen im Land gefordert. Regierung, Ministerien und Verwaltung müssten bereit sein, den Reformprozess mitzugehen und tatkräftig umzusetzen, sagte die CDU-Politikerin gestern nach einem Treffen mit dem Präsidenten Aschraf Ghani. „Und da ist entscheidend, dass die alten Seilschaften durchbrochen werden, dass jüngeres, gut ausgebildetes, loyales Personal in die Positionen kommt.“

Von der Leyen pochte auf einen Generationenwechsel in der afghanischen Verwaltung, um transparente Strukturen zu schaffen. „Dass eben die alten, gewachsenen, aber zum Teil auch hochkorrupten Seilschaften durchbrochen werden.“ Der Konflikt mit den Taliban in Afghanistan sei nicht militärisch lösbar. „Der politische Prozess ist der alles entscheidende“, sagte sie.

Die CDU-Ministerin traf unter anderem den Präsidenten Ghani und den Oberbefehlshaber der Nato-Truppen, John Nicholson. Derzeit stocken Deutschland und die Nato-Länder ihre Truppen in Afghanistan auf. Es ist von der Leyens erste Einsatzreise in ihrer zweiten Amtszeit als Verteidigungsministerin.

Bereits am Sonntag hatte sie die deutschen Soldaten im Feldlager bei Masar-i-Scharif im Norden des Landes besucht und einen langen Atem gefordert. Die Bundeswehr ist bereits seit mehr als 16 Jahren in Afghanistan. 57 deutsche Soldaten sind am Hindukusch gestorben. Vergangene Woche hat der Bundestag den Einsatz um ein weiteres Jahr verlängert. Die Truppe wird von bislang höchstens 980 Soldaten auf bis zu 1300 aufgestockt.

Ganz entscheidend für das Land seien die Parlamentswahlen im Herbst und die Präsidentschaftswahlen im nächsten Frühjahr, sagte von der Leyen. Die Bevölkerung müsse aktiv zum Meinungsbildungsprozess beitragen können. Die Menschen müssten durch gute Regierungsführung merken, dass die Politik Reformen umsetzt. Sie wünsche sich mehr Fortschritte in dem Bereich.

Die Reform des Justizwesens sei unendlich wichtig, damit die Bevölkerung einem Justizwesen Vertrauen schenken kann, das seinen Namen auch verdiene. „Dass Recht gesprochen wird und damit auch die altertümliche Form der Schuren nicht immer aufgesucht wird.“ Es gebe Beispiele, die zeigten, dass die afghanische Regierung verstanden habe. Das Pensionsalter der Sicherheitskräfte sei etwa von 72 auf 62 Jahre herabgesetzt worden. 4000 Generale und Oberste gingen nun in den Ruhestand, jüngere Kräfte rückten nach. Deutschland stehe weiter an der Seite Afghanistans. „Wir brauchen hier Geduld – aber ich bin der festen Überzeugung, dass Afghanistan diese Geduld auch wert ist.“

In der usbekischen Hauptstadt Taschkent begann gestern Abend eine Konferenz über Wege zu einer politischen Lösung in Afghanistan. Für heute wurden Vertreter aus mehr als einem Dutzend Länder erwartet, darunter auch Deutschland.

Nico Pointner

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