Madrid/Barcelona – Carles Puigdemont spaltet die spanische Nation wie kaum ein anderer Politiker seit dem Ende der Franco-Ära. Und zwar in jedem Sinne des Wortes „spalten“. Die Festnahme des Vorreiters der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung an einer Autobahnraststätte in Schleswig-Holstein hat in seiner Heimat umgehend zehntausende wütende Demonstranten auf die Straßen getrieben – ein unverkennbares Zeichen dafür, dass der Separatismus trotz aller Justizprobleme der katalanischen Führungsriege keineswegs abgeflaut, sondern höchst lebendig ist. In anderen Landesteilen hagelte es hämische Kommentare, speziell in den Medien. „Puig-the-end“ spottete ein Kommentator in „El País“, der größten Zeitung Spaniens.
Im Ausland hat die Krise in Katalonien zuletzt kaum noch Aufmerksamkeit erregt. In Spanien aber ist die Konfliktregion seit dem Unabhängigkeitsreferendum vom vergangenen Herbst ununterbrochen der Aufreger Nummer 1 geblieben. Es vergeht kein Tag, an dem „El procés“ (so wird in Spanien der Prozess zur Abspaltung Kataloniens genannt) nicht Top-Thema in den Nachrichten ist, Befürworter und Gegner sich heftige Wortgefechte liefern und Journalisten in den Gazetten hart mit den Separatisten ins Gericht gehen. Seit Sonntag gibt es nun gar kein anderes Thema mehr.
Auch diejenigen, die für die spanische Einheit eintreten – und das sind die meisten Bürger außerhalb Kataloniens – sind des Kampfes nicht müde. Zwar sind viele rot-gelb-rote spanische Flaggen, die in Madrid und anderen Landesteilen seit der katalanischen Volksbefragung an unzähligen Häuserfronten wehen, mittlerweile von der Sonne verbleicht und teilweise zerfetzt. Aber immerhin: Sie hängen noch.
„El País“-Kommentator Rubén Amón bezeichnete Puigdemont am Montag süffisant als „zweitrangigen Helden“, der „wie ein Student mit Interrail-Ticket“ eine Tour durch Europa unternommen habe, „um sich wichtigzumachen“. Tatsächlich war dem Politiker das Exil in Belgien nicht genug: Unter anderem war er nach Dänemark und Finnland gereist, um über die katalanische Frage zu sprechen – eine Entscheidung, die ihm nun zum Verhängnis wurde.
Andere, wie das Oberste Gericht und die Staatsanwaltschaft in Madrid, wollen ihm als Straftäter den Prozess machen und ihn bis zu 30 Jahre hinter Gitter schicken. Und noch andere – hartnäckige Fans und eingefleischte Separatisten – verehren den 55-jährigen Ex-Journalisten wie einen Märtyrer, der sich geopfert hat, um Katalonien gegen alle Widerstände den Weg in die Freiheit zu weisen. Sicher ist: Die politischen Fronten im Königreich sind verhärtet.
Puigdemont war, ist und bleibt umstritten. Und ein Rebell, der sich immer wieder den Vorgaben der spanischen Justiz widersetzt hat. Ein Rebell ist er allemal. Ob er aber wirklich im juristischen Sinne der Rebellion schuldig ist, das ist eine andere Frage. Denn der Tatbestand setzt den Aufruf zur Gewalt voraus. Puigdemont hat nicht zu Gewalt aufgerufen.
Es bleibt zu hoffen, dass die Proteste jetzt – wo das Schicksal Puigdemonts an der deutschen Justiz hängt – nicht ausarten und die Konfliktregion doch noch in Gewalt versinkt.