Ungarn bleibt auf Konfrontationskurs

von Redaktion

Orban siegt mit Zweidrittelmehrheit – EU diskutiert über Sanktionen bei nationalistischer Wende – Gratulation und Kritik aus Bayern

München/Budapest – Es ist ein historischer Wahlsieg für Viktor Orban (54). Noch nie in der ungarischen Geschichte siegte dieselbe Partei dreimal hintereinander so deutlich, und noch nie wurde der Wahlkampf derartig einseitig geführt. Orban, ein EU-Kritiker, warnte beinahe ausschließlich vor dem Untergang seines Landes durch Migranten – und überzeugte damit die Mehrheit der Wähler.

In der EU geht man davon aus, dass eine Neuauflage der Regierung Orban neue Konflikte zwischen Budapest und Brüssel herbeiführen wird. Schon seit 2010 steuert der rechtskonservative Politiker einen Konfrontationskurs. Streitpunkte sind die Asylpolitik, die Einschränkung von Medienfreiheit, Unabhängigkeit der Justiz und Bürgerrechten sowie der mutmaßliche Missbrauch von EU-Fördergeldern. Quoten zur faireren Verteilung von Asylbewerbern boykottierte Orban.

Auf dessen Partei Fidesz entfielen 48,5 Prozent der Stimmen. Sie könnte damit 134 von 199 Sitzen im Parlament kontrollieren und über eine Zweidrittelmehrheit verfügen, die die Verfassung ändern kann. Vor vier Jahren hatte Fidesz 133 Mandate errungen. „Wir haben gesiegt“, stellte Orban vor seiner vierten Amtszeit recht trocken fest, während seine Anhänger jubelten. „Das gibt uns die Möglichkeit, Ungarn zu verteidigen.“ Stärkste Oppositionspartei ist die rechtsradikale Jobbik (19,5 Prozent), gefolgt von der Ungarischen Sozialistischen Partei (12,3).

Kritiker sehen Ungarn auf dem weiteren Weg zur „illiberalen Demokratie“, wie sie sich Orban wünsche. Dazu zählt, Medien zurückzudrängen und die Gerichte zu kontrollieren. Schon im Mai könnte vom Parlament ein Gesetz beschlossen werden, das kritische Nicht-Regierungsorganisationen in die Illegalität drängt. Die Opposition kritisiert, Orban schanze staatliche Ressourcen und EU-Fördergelder Oligarchen zu.

Äußerlich ändert sich für die EU im Verhältnis zu Ungarn wenig, sagen Experten. Es bleibt die Frage, wie sie mit Orban künftig Politik machen kann. Denkbar ist ein Sanktionsverfahren wegen Gefährdung des Rechtsstaats und europäischer Werte, wie es die EU-Kommission jüngst gegen Polen startete. Damit können einem Land Stimmrechte im Ministerrat entzogen werden. Das EU-Parlament drohte schon im Mai mit diesem Knüppel. Für Donnerstag erwarten die Abgeordneten einen kritischen Bericht der niederländischen Grünen Judith Sargentini zum Zustand der Demokratie in Ungarn. Grünen-Fraktionschef Philippe Lamberts ist dennoch unsicher, ob sich im Parlament eine Mehrheit für ein Verfahren findet. „Ich sehe keinen politischen Willen“, sagte er – und geißelte vor allem die EVP-Fraktion, zu der neben CDU und CSU auch die Fidesz-Partei gehört.

Bei der EVP setzt man auf eine Umarmungsstrategie. Der Vorsitzende und CSU-Vize Manfred Weber erklärte schon öfter, man habe Orban immer wieder in der Parteifamilie eingefangen. 2017 stimmte Orban etwa bei der Bestätigung von EU-Ratschef Donald Tusk mit den übrigen EU-Ländern gegen Polen, obwohl er sonst die Regierung in Warschau unterstützt.

CSU-Chef Horst Seehofer zeigte sich über Orbans Wahlsieg erfreut. „Ich werde ihm auch namens der CSU gratulieren“, sagte Seehofer in München. Auch wenn es bei einzelnen Themen Meinungsverschiedenheiten gebe, seien bilaterale Beziehungen zu anderen EU-Ländern wichtig. Der ungarische Regierungschef werde im Ausland oft unfair bewertet. „Nichts ist eine stärkere Bestätigung als der Erfolg an der Wahlurne.“ Kritik kommt von der Landtags-Opposition. „Wer das demokratische Europa diffamiert“, sagte SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher, „verdient kein Schulterklopfen, sondern Protest und Gegenwehr.“     dor/dpa

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